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Verschärfung des Finanzumfeldes

Verschärfung des Finanzumfeldes
(c) Unsplash

Mit der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine wurde die Weltwirtschaft innerhalb von zwei Jahren mit zwei stagflationären Ereignissen konfrontiert. Beide sind eine Quelle großer Unsicherheit.

Die Aufwärtsrisiken für die Inflation haben zugenommen

Die erhöhte Inflation wurde durch externe Schocks (Pandemie, Krieg in der Ukraine) verursacht. Das Zusammenspiel aus besonders lockeren Geld- und Fiskalpolitiken dürfte den Preisdruck jedoch intensiviert haben. Die Inflationsraten überraschen schon seit längerer Zeit mit hohen und ansteigenden Werten. Die Kernfrage ist, ob die hohe Inflation zu permanent höheren Inflationserwartungen führt oder ob das deutlich höhere Preisniveau zu einer Reduktion der Nachfrage führt, die die Inflationserwartungen niedrig hält.

Die Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum haben nicht nur aufgrund der hohen Inflation zugenommen, weil sie die Kaufkraft und die Stimmung reduziert. Dazu kommen noch drei andere Risikofaktoren:

Lockdown Maßnahmen in China

Die Nulltoleranzpolitik gegenüber Neuinfektionen haben zu strengen Lockdown Maßnahmen geführt. Das hat eine Kontraktion der Einzelhandelsumsätze und der Industrieproduktion im März und einen Einbruch der Einkaufsmanagerindizes für April bewirkt (NBS Composite PMI im April: 42,7, Caixin Composite PMI: 37,2). Eine Kontraktion des BIP im 2. Quartal ist wahrscheinlicher geworden. Eine Unsicherheit besteht darin, wie stark die globalen Lieferketten beeinträchtigt werden.

Das Risiko von Importbeschränkungen von Energie aus Russland

Laut EU-Kommission könnte ein sechstes Sanktionspaket einen Importstopp von russischem Rohöl nach einer Übergangsperiode von sechs Monaten beinhalten. Auch wenn die Versorgung mit Rohöl weiterhin gewährleistet werden kann, könnten zukünftige Maßnahmen noch schärfer ausfallen. Dazu passt die jüngste G7-Erklärung: Die Staats- und Regierungschefs werden sich verpflichten, die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern, unter anderem durch die Einstellung oder das Verbot der Einfuhr von russischem Öl.  Die G7 wollen sicherstellen, dass dies rechtzeitig und in geordneter Weise geschieht, und zwar so, dass die Welt Zeit hat, eine alternative Versorgung sicherzustellen.

Möglicherweise zu restriktive Geldpolitiken

Immer mehr Zentralbanken beschleunigen den Ausstieg aus der ultra-expansiven geldpolitischen Haltung. Selbst die dovishen Zentralbanken wie die Riksbank (0,25%) und die Reserve Bank of Australia (0,35%) haben die Leitzinsen viel früher als ursprünglich erwartet angehoben. Der Druck auf die EZB, die Leitzinsen anzuheben hat zugenommen. Mittlerweile sind für dieses Jahr drei Anhebungen für den Einlagenzinssatz von -0,5% auf +0,25% realistisch. Der Marktpreis befindet sich bei 0,33%. Die Bank of England hat den Leitzinssatz bereits vier Mal in Folge auf insgesamt 1% angehoben, obwohl sie bis in das Jahr 2024 nur mehr ein geringes Wirtschaftswachstum erwartet.

Die US-Zentralbank hat den Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik wie erwartet beschleunigt. Während die Leitzinsen schnell und kräftig angehoben werden, wird die Zentralbankbilanz reduziert. Die Bandbreite für den Leitzinssatz wurde um 0,5 Prozentpunkte auf 0,75%, also um 1% angehoben. Auf der Pressekonferenz meinte der Vorsitzende Powell, dass im Ausschuss weitgehend Einigkeit darüber herrsche, dass bei den nächsten Sitzungen weitere Anhebungen um 50 Basispunkte auf dem Tisch liegen sollten.

Es gibt zwei Gründe für den raschen und schnellen Ausstieg:

  1. Hohe Inflationsraten. Für April wird zwar ein Rückgang der Inflationsrate erwartet (US CPI: 0,2% p.m. / 8,1% p.a. nach 1,2% p.m. / 8,5% im März), aber der Preisauftrieb ist breit basiert, das heißt, viele Inflationskomponenten weisen überdurchschnittliche Anstiege auf.
  2. Enger Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenrate ist niedrig (April: 3,6%, unverändert gegenüber März), die Stellenausschreibungen haben mit 11,5 Millionen ein Rekordniveau erreicht und der Arbeitskostenindex ist im ersten Quartal um 4,5% p.a. gewachsen.

Im Prinzip gibt es drei Szenarien. Der bestimmende Faktor ist die hohe Unsicherheit über den Unterschied zwischen dem tatsächlichen BIP und dem Potential (der Produktionslücke):

Szenario 1: Wenn das BIP nur moderat über dem Potenzial liegt, können die Zentralbanken in einem günstigen Szenario eine weiche Landung der Wirtschaft bewerkstelligen. Die langfristigen Inflationserwartungen blieben in diesem Fall niedrig. Es gibt jedoch zwei ungünstige Rezessionsszenarien.
Szenario 2:  Wenn das BIP für längere Zeit deutlich über dem Potential liegt, nimmt die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel auf anhaltend hohe Inflationserwartungen zu (Überhitzung). Die Zentralbank ist „hinter der Kurve“. In diesem Fall müsste die Zentralbankpolitik sehr restriktiv werden, das heißt, absichtlich eine Rezession (hohe Arbeitslosigkeit) erzeugen, um die Inflation in den Griff zu bekommen.
Szenario 3: Der Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik ist zu schnell. Die Zentralbanken reagieren auf die externe Preisschocks, können die Inflationsraten auf die kurze Sicht nicht beeinflussen, beeinträchtigen die Wirtschaft aber so stark, dass eine Rezession ausgelöst wird. 

Fazit

Dieses Umfeld hat zu einer Verschärfung des Finanzumfelds geführt. Die Kurse der meisten Wertpapierklassen sind seit Jahresanfang gefallen. Die Unsicherheit ist groß, weil die Einflussfaktoren für die Kenngrößen Inflation, Wachstum und Geldpolitik nicht gut geschätzt werden können. Kein Anspruch auf Vollständigkeit: Produktionslücke, neutraler Zinssatz, Inflationserwartungen, Rohstoffpreise, Engpässe, Pandemie, Verhalten der Zentralbanken, Geopolitik. Nicht einmal die aktuell hohe Inflation ist zur vollen Zufriedenheit erklärbar. Die Unzulänglichkeiten der volkswirtschaftlichen Modelle werden abermals augenscheinlich.

Das günstige Basisszenario lautet auf eine weiche Landung der Wirtschaft. Die Risiken sind jedoch erhöht. Dazu kommt, dass es der Fed und den anderen Zentralbanken in Zukunft deutlich schwerer fallen wird, auf eine Finanzkrise mit einer lockeren Geldpolitik zu reagieren – zumindest solange die Inflation hoch bleibt.

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