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Zwei stagflationäre Schocks: Pandemie und Ukraine-Krieg

Zwei stagflationäre Schocks: Pandemie und Ukraine-Krieg
Zwei stagflationäre Schocks: Pandemie und Ukraine-Krieg
(C) Paul Severin
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Innerhalb von zwei Jahren wurde die Weltwirtschaft mit zwei negativen Entwicklungen, beziehungsweise Schocks konfrontiert. Erstens, die Pandemie (SARS-CoV-2), zweitens, ein geopolitischer Schock (Ukraine), der wiederum einen Rohstoffpreisschock ausgelöst hat. Die Auswirkungen sind stagflationär. Der Begriff Stagflation beschreibt einen volkswirtschaftlichen Zustand, der einer Stagnation (stagnierendes Wirtschaftswachstum) in Kombination mit (hoher) Inflation entspricht.

Erholung und Inflation vor der Invasion

Die Auswirkung der Pandemie war letztendlich stagflationär. Ohne die Pandemie wäre das Bruttoinlandsprodukt (BIP) höher und die Inflation niedriger. Die überraschend anhaltend hohe Inflation (OECD: 7,1% p.a. im Jänner 2022) hat zu Beginn des Jahres auch noch einen Mini-Zinsschock verursacht (zunehmenden Leitzinsanhebungserwartungen). Mit dem Abklingen der Omikron-Variante haben im Februar die zyklischen Wirtschaftsindikatoren auf eine abermalige Beschleunigung des Wirtschaftswachstums hingewiesen (nach der Abschwächung zwischen Dezember und Jänner) und das Basisszenario „Fortsetzung des Erholungsszenarios“ bestätigt. Der globale Einkaufsmanagerindex (Fertigung und Services) ist im Februar auf 53,4 nach 51,1 im Jänner angestiegen. Zudem deuteten die Preis-Komponenten des Einkaufsmanagerindex auf einen anhaltend hohen Inflationsdruck hin (Output Prices bei 60,0 nach 59,6). Gleichzeitig wiesen die Arbeitslosenraten in den USA (Februar: 3,8%) und der Eurozone (Jänner: 6,8%) auf einen engen Arbeitsmarkt hin. Das wiederum deutet auf ein zunehmendes Lohnwachstum. Zu guter Letzt verweist in den USA der weitere Anstieg der Beteiligungsrate (62,3%, Vor-Pandemie: 63,4%) auf eine langsame Verbesserung der Angebotsseite am Arbeitsmarkt.

Massive Auswirkungen durch Einmarsch Russlands in die Ukraine

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine stellt auf mehreren Ebenen ein einschneidendes Ereignis dar. Vielleicht wird nun auch der Wert von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit besser erkennbar. Der Westen greift zwar nicht militärisch ein, der Einsatz finanzpolitischer Waffen (Sanktionen) und die Lieferung von Waffen in die Ukraine bedeutet jedoch einen neuen Kalten Krieg. Die Beziehungen des Westens mit Russland sind anhaltend gestört. Ebenso steigt aufgrund der Sanktionen bei jenen Staaten, die sich nicht zum Westen zählen, die Motivation sich von der Abhängigkeit des US-Dollar und anderer Reservewährungen zu emanzipieren. Die Wahrscheinlichkeit für einen asiatischen Währungsblock rund um den Renminbi hat zugenommen. Neben der geostrategischen Stärkung Chinas scheinen auch die supranationalen Organisationen NATO und EU gestärkt. Das impliziert unter anderem, dass die zugesagten NATO-Verteidigungsausgaben tatsächlich erfüllt werden, dass eine mögliche Erweiterung der NATO wahrscheinlicher geworden, und der Exit eines weiteren EU-Landes sowie das Auseinanderbrechen der Eurozone weniger wahrscheinlich geworden sind. Weitere Rettungsschirme würden im Bedarfsfall geschnürt werden. Ebenso hat die Motivation zugenommen, mehr in die Energiesicherheit und in die Verteidigung (auch außerhalb der NATO) zu investieren. Die staatlichen und privaten Investitionsquoten werden im Trend der kommenden Jahre wahrscheinlich höher sein als im Ausgangsszenario, aber wahrscheinlich auch die Budgetdefizite.

Einbruch der russischen Wirtschaft

Die Sanktionen des Westens treffen die russische Wirtschaft schwer. Denn sie erzwingen eine noch größere Autarkie. Einige russische Banken wurden vom Interbanken Nachrichtensystem SWIFT ausgeschlossen. Ebenso wird das Auslandsvermögen von immer mehr russischen Staatsbürger:innen (Oligarch:innen) eingefroren. Auch ein großer Teil der Fremdwährungsreserven der russischen Zentralbank ist eingefroren. Zudem pausieren oder beenden ausländische Firmen die Beziehungen mit Russland. Das bedeutet einen Einbruch des Handels und des BIP (Arbeitsannahme: -9% in diesem Jahr) sowie eine Beeinträchtigung der Lieferketten. Auch eine Kreditbremse droht. S&P hat die Kreditwürdigkeit auf CCC- herabgestuft. Der Wechselkurs des Rubel gegenüber dem US-Dollar ist eingebrochen (63% seit Jahresanfang). Der Druck auf die russische Regierung ist sicherlich angestiegen, denn sie kann nicht mehr für Stabilität und Wohlstand sorgen.

Rohstoffpreisschock

Die Invasion in der Ukraine bedeutet ähnlich wie die Pandemie einen stagflationären Schock und ist eine neue große Quelle der Unsicherheit. Der Anteil am globalen BIP von Russland und der Ukraine beträgt lediglich 3%. Die Sanktionen des Westens beinträchtigen massiv jene Exporte, die keine Rohstoffe sind, sowie den Zugang zu den globalen Finanzmärkten. Dennoch haben ausgeprägte Preisanstiege bei den Rohstoffen stattgefunden. Der Index für Industriemetalle ist seit Jahresanfang um 24%, jener für die Energie um 48% und jener für landwirtschaftliche Güter um 26% angestiegen (Quelle: Bloomberg Commodity Price Indices). Russland ist ein führender Produzent von Öl, Gas, Metallen und Getreide. Letzteres gilt auch für die Ukraine. Der treibende Faktor ist eine angestiegene Risikoprämie für mögliche Produktions- / Exportausfälle, d.h. Befürchtungen von Rohstoff-Sanktionen des Westens und Exportbeschränkungen seitens Russlands. Zudem ist eine Selbstbeschränkung westlicher Unternehmen (Banken, Versicherungen, Transportunternehmen, Handelsfirmen) aufgrund der Rechts- und Reputationsrisiken erkennbar. Die weitere Entwicklung der Rohstoffpreise wird vor allem von der Art der Sanktionen des Westens und möglichen Gegensanktionen Russlands bestimmt werden. Beides hängt unter anderem vom Kriegsverlauf in der Ukraine ab.

Hohe Inflation und gedämpfte Erholung

Die starken Preisanstiege bei den Rohstoffen werden die Inflationsraten in den kommenden Monaten auf einem hohen Niveau halten (global bei rund 6% p.a.). Im Basisszenario könnte heuer die globale Inflation um rund 1 Prozentpunkt höher sein (Q422: 5% p.a.) als im Vor-Ukraine Szenario. Die EMU ist stärker betroffen (+1,5 Prozentpunkte auf 4% p.a.). Die Risiken sind nach oben gerichtet. Die hohen Inflationsraten dämpfen die Kaufkraft und reduzieren die Konsumentenstimmung. Für das globale reale BIP-Wachstum wird im Vergleich zum Vor-Ukraine Szenario eine Reduktion um rund 1 Prozentpunkt veranschlagt (Q422: 3% p.a.). Die EMU ist stärker betroffen (-2 Prozentpunkte auf 2,5% p.a.). Die Risiken sind nach unten gerichtet. Vor allem im Fall von Versorgungsunterbrechungen würden die Risiken für eine Rezession ansteigen.

Dilemma für Zentralbanken

Die Zentralbanken sind mit einem Dilemma konfrontiert. Die Inflationsraten sind überraschend hoch, getrieben von den Rohstoffpreisen. In einigen Ländern (USA) sind bereits jetzt Überwälzungseffekte von den pandemiegetriebenen Kosten auf andere Preiskomponenten erkennbar. Unternehmen werden versuchen, die höheren Rohstoffkosten weiterzugeben. Arbeitnehmer:innen werden höhere Löhne fordern. Weil die Arbeitslosenraten bereits niedrig sind und das Basisszenario „Fortsetzung der Erholung“ lautet, ist eine Überwälzung auf andere Preiskomponenten wahrscheinlicher geworden.

Gleichzeitig wird das Wirtschaftswachstum von dem Rohstoffpreisschock beeinträchtigt, haben die Rezessionsrisiken zugenommen und ist die Unsicherheit auf dem Finanzmarkt angestiegen.

Erste moderate Leitzinsanhebungen bis Jahresende erwartet

Die Inflationsentwicklung in diesem Jahr kann die Zentralbanken wenig beeinflussen. Ziel ist es, die Sekundärrundeneffekte gering und die Inflationserwartungen möglichst stabil zu halten. Das neutrale Zinsniveau soll möglichst schnell erreicht werden. Die Ukraine-Krise dämpft, aber verhindert nicht den Ausstieg aus der ultra-expansiven geldpolitischen Haltung. Die Wahrscheinlichkeit von überraschend restriktiven Schritten ist gesunken (+50 Basispunkte Anhebung durch die Fed; Leitzinsanhebungen auf restriktives Niveau). Arbeitsannahmen: Die Fed hebt den Leitzinssatz auf 1,5% bis Ende 2022 an, Beginn des Quantitative Tightening (Reduktion der Zentralbankbilanz) im Sommer, auch die EZB hebt bis Ende Dezember den Leitzinssatz an (auf -0,25%). Am vergangenen Mittwoch hat die kanadische Zentralbank den Leitzinssatz wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5% angehoben. Fed-Chairman Powell hat eine Leitzinsanhebung am 16. März angekündigt. EZB-Präsidentin Lagarde wird am kommenden Donnerstag wohl in einer vorsichtigen Weise formulieren. Eine Anhebung der Inflationsprojektionen dürfte jedoch die Möglichkeit für Leitzinsanhebungen aufrechterhalten.

Ambitioniertes Wachstumsziel in China

Unterstützung für die Weltwirtschaft kommt von China. Die Regierung hat das Wachstumsziel für das Bruttoinlandsprodukt für heuer auf 5,5% gesetzt. Das ist ambitioniert, denn andere Prognosen liegen bei rund 5%. Aus diesem Grund sind mehr wirtschaftsunterstützende Maßnahmen auf der fiskalischen und geldpolitischen Seite wahrscheinlicher geworden.

Zusätzliche Unsicherheit erhöht Risikoprämien an den Kapitalmärkten

Die zusätzliche Unsicherheit erhöht die Risikoaversion auf den Märkten. Im Einklang damit sind die Volatilitätsindizes und die Risikoprämien für Aktien, Anleihen und Wechselkurse angestiegen. Das drückt auf die Bewertungen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Generell gilt: solange das Erholungsszenario Bestand hält, bleibt der Ausblick für Risk Assets positiv.

Wichtige rechtliche Hinweise:

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