Aktien neigen seit einigen Tagen zur Schwäche. Der wichtigste Grund ist die Befürchtung, dass früher als erwartete Leitzinsanhebungen in den USA, nachträglich für den Finanzmarkt sein könnten. In diesem Kommentar erklären wir, warum das auf absehbare Zeit – im wahrscheinlichsten Szenario – nicht passieren wird.
Average Inflation Targeting
Generell strebt die US Zentralbank (Fed) die beiden Ziele maximale Beschäftigung und eine Inflationsrate von 2% auf lange Sicht an. Um das zu erreichen, hat die Zentralbank im vergangenen Jahr das sogenannte Average Inflation Targeting eingeführt.
Weil die Inflation in der Vergangenheit unter 2% lag und die langfristigen Inflationserwartungen Gefahr liefen, in Richtung Null zu driften (Deanchoring nach unten), strebt die Fed eine Inflation von moderat über 2% für einige Zeit an, damit die Inflation langfristig bei 2% liegt und die Inflationserwartungen bei 2% verankert bleiben. Die Kernstrategie der Fed ist, so lange eine akkommodierende Geldpolitik beizubehalten, bis die beiden Ziele (Beschäftigung, Inflation) erreicht sind.
Quellen: Bloomberg; Board of Governors of the Federal Reserve System
Eckpunkte
Dabei hat die Fed zwei Eckpunkte definiert. Erstens, die Leitzinsen werden erst dann von der aktuellen Bankbreite von 0% – 0,25% angehoben werden, wenn am Arbeitsmarkt maximale Beschäftigung erreicht, die Inflation auf 2% angestiegen und auf dem Weg ist, für einige Zeit moderat über 2% zu sein.
Zweitens werden die monatlichen Anleiheankäufe im Ausmaß von US-Dollar 120 Milliarden so lange beibehalten werden, bis wesentliche Fortschritte in Richtung der beiden Ziele erreicht wurden. Eine Reduktion (Tapering) wird lange im Voraus bekannt gegeben werden.
Schlüsselgröße Inflationserwartungen
Tatsächlich vollzieht die Fed eine sehr vorsichtige Exit-Strategie aus der ultra-expansiven geldpolitischen Haltung. Das ist allerdings nur für den Fall von stabilen (nicht ansteigenden) langfristigen Inflationserwartungen darstellbar.
Innerhalb nur eines Jahres hat sich das Risikoprofil für die Inflation verschoben. Aktuell sind die Inflationsraten aufgrund der Aufhebung der Lockdownmaßnahmen nach oben verzerrt. Das ist ein transitorisches Phänomen. Es gibt allerdings eine mögliche Verbindung zwischen kurzfristig erhöhten Inflationsraten und der langfristigen Inflationsentwicklung: die langfristigen Inflationserwartungen.
Wenn selbige ansteigen, weil für einen beschränkten Zeitraum, sagen wir für ein Jahr, die Inflationsraten erhöht sind, könnte eine Lohn-Preis Spirale in Ganz gesetzt werden. Das hießt, erst wenn die langfristigen Inflationserwartungen ansteigen (Deanchoring nach oben), wird die Fed unter Druck kommen, die Leitzinsen deutlich früher anzuheben. Die zahlreichen Indikatoren zu den Inflationserwartungen (der Konsumenten, Unternehmen, Volkswirte und Marktteilnehmer) deuten bis dato auf stabile Erwartungen hin.
Weniger Risiko
Auf der Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) in der vergangenen Woche hat ein treibender Faktor (Pandemie) zwei Ereignisse (für die Zinserwartungen und Anleihekäufe) ausgelöst. Aufgrund der voranschreitenden Durchimpfung schätzt die Fed die Wachstumsrisiken geringer ein.
Die Prognose für das Wirtschaftswachstum für 2021 wurde von 6,5% auf 7% nach oben revidiert. Aber auch die Inflationserwartung wurde von 2,4% auf 3,4% angehoben. Die mittelfristigen Prognosen wurden nur wenig verändert (BIP 2023: 2,4%, Inflation 2023: 2,2%).
Frühere Leitzinsanhebung…
Im Einklang mit dem gesunkenen Risiko hat die Fed angedeutet (Forward Guidance), die Leitzinsen etwas früher anzuheben. Sieben von 18 Mitgliedern (Minderheit) für 2022 und 13 von 18 Mitgliedern (Mehrheit) für 2023 sehen mindestens eine Zinsanhebung (Median: zwei Anhebungen).
Im März hatte sie noch einen unveränderten Leitzinssatz für 2023 angedeutet. In unserem wahrscheinlichsten Szenario erfolgt die erste Leitzinsanhebung Ende 2022.
…und Tapering
Die Zeitlinie zum Tapering ist in eine neue Phase eingetreten. Bis vor kurzem hat Chairman Powell gemeint, nicht einmal über ein zukünftiges Tapering zu reden. Mittlerweile redet die Fed offiziell über den optimalen Zeitpunkt für die Bekanntgabe für ein Tapering.
In unserem wahrscheinlichsten Szenario erfolgt die Bekanntgabe im August (Zentralbanker-Treffen in Jackson Hole) für die tatsächliche Kaufreduktion Anfang 2022.
Die Fed ist nicht hawkish….
Die voranschreitende vorsichtige Exit-Strategie hat ein Repricing bewirkt: flachere Zinskurve (Unterschied zwischen 30jährigen und 2jährigen Staatsanleiherenditen), festerer USD (höhere Zinsen unterstützen), niedrigere am Anleihemarkt gepreiste Inflationsraten (10Y Breakeven Inflation Rate: 2,26%), höhere reale Staatsanleiherendite (10Y TIPS Yield: -0,79%) und fallende Aktienkurse (vor allem Zykliker).
Die Marktbewegungen lassen darauf schließen, dass die Marktteilnehmer eine auf Inflationsbekämpfung ausgerichtete Fed erwarteten (hawkishe Haltung). Mit dem Voranschreiten der wirtschaftlichen Erholung würde die Fed in diesem Fall sukzessive (nicht notwendigerweise bei jedem FOMC-Treffen) die expansive geldpolitische Haltung reduzieren, zumindest in der Forward Guidance.
Wie oben argumentiert, wird die Fed-Pollitik allerdings (vor allem) nur dann dann hawkish werden, wenn die langfristigen Inflationserwartungen nach oben ausbrechen. Das ist (zurzeit) nicht der Fall.
…sondern dovish (FAZIT)
Insgesamt wird die geldpolitische Haltung der Fed sehr expansiv bleiben und Risk Assets unterstützen (dovishe Haltung). Die negative Marktreaktion hat allerdings wieder einmal einen Hinweis dafür geliefert, dass die Märkte nicht besonders stabil, sondern anfällig für eine Korrektur sind.
Das derzeit wohl größte Risiko stammt weniger von der Geldpolitik sondern der Pandemie. Eine abermalige Beschleunigung von COVID-19 Neuinfektionen aufgrund von Mutationen (zunehmende Cluster der Delta-Variante) stellt ein Abwärtsrisiko dar.
Quellen: Bloomberg; Board of Governors of the Federal Reserve System
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.