Das globale Wachstum ist im ersten Quartal ungefähr am Potenzial gewachsen (rund 2,5% auf das Jahr hochgerechnet). Die jüngsten Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes für den Monat Juni deuten jedoch auf einen Rückgang der Dynamik hin. Zudem mehren sich die Anzeichen für eine Abschwächung in den USA, die bis dato die wichtigste Zugmaschine für das globale Wachstum waren.
Positiv ist auf der anderen Seite, dass die jüngsten Inflationsindikatoren für einen geringeren Preisauftrieb sprechen. Das erhöht den Spielraum für die Zentralbanken, auf eine wirtschaftliche Schwäche mit Leitzinssenkungen zu reagieren.
Die positiven Wachstumsimpulse von der Normalisierung der Lieferketten, dem hohen Budgetdefizit in den USA, den gefallenen Energiepreisen in Europa und der Erholung in China nach dem Ende der Lockdownmaßnahmen laufen aus. Gleichzeitig wirken die angestiegenen Zinsen, also die restriktivere Zinspolitik, wachstumsdämpfend. Zudem hat die politische Unsicherheit zugenommen. Unterstützend wirken die festen Arbeitsmärkte und die ansteigende Kaufkraft – weil klassischerweise die Inflation schneller fällt als das Lohnwachstum.
Einkaufsmanagerindex – Aufwärtstrend noch intakt
Der globale Einkaufsmanagerindex hat im Monat Juni die Aufwärtstendenz nicht fortgesetzt. Nachdem der Wachstumsindikator von 50 im Oktober 2023 auf 53,7 im Mai angestiegen war, ist er im Juni auf 52,9 gefallen. Das Niveau ist jedoch immer noch hoch, indem es ein globales Wachstum von etwas über dem Potenzial indiziert. Ein einmaliger Rückgang ist noch kein Trend – dafür sind mindestens drei Monate mit fallenden Daten nötig – weshalb das Gewicht (noch) auf dem aufwärtsgerichteten Trend liegt.
Etwas beunruhigend ist der Rückgang des Einkaufsmanagerindex in der Eurozone (von 52,2 auf 50,9), weil er die Geschichte eines zunehmend breiteren globalen Wachstums nicht bestätigt. Die Eurozone hat Schwierigkeiten darin, die Stagnationsphase nachhaltig zu überwinden.
Ansteigende Arbeitslosenrate in den USA
In den USA blieb das Beschäftigungswachstum im nicht-landwirtschaftlichen Sektor (nonfarm payrolls) mit einem Zuwachs von 206.000 im Juni kräftig. Andere Arbeitsmarktindikatoren waren allerdings auf der schwachen Seite. Bemerkenswert ist vor allem der weitere Anstieg der Arbeitslosenrate auf 4,1%. Das Niveau ist noch immer niedrig. Allerdings ist damit der Rezessionsindikator nach der Ökonomin Claudia Sahm weiter angestiegen (auf 0,43 nach 0,37). Der Sahm-Rezessionsindikator signalisiert den Beginn einer Rezession, wenn der gleitende Dreimonatsdurchschnitt der nationalen Arbeitslosenquote um 0,50 Prozentpunkte oder mehr gegenüber dem Minimum der Dreimonatsdurchschnitte der vorangegangenen 12 Monate ansteigt. Zudem weisen die Stellenausschreibungen im JOLTS-Bericht einen fallenden Trend auf und deuten damit auf eine nachlassende Nachfrage hin. Das Niveau der Stellenausschreiben ist allerdings noch hoch und im Mai ist der Indikator sogar angestiegen.
Die Arbeitslosenrate in den USA stieg zuletzt weiter an, wenngleich sie weiterhin auf einem niedrigen Niveau bleibt. © unsplash
Das reale Wirtschaftswachstum hat sich im ersten Quartal 2024 nach einem besonders starken zweiten Halbjahr 2023 (drittes Quartal: 4,9%, viertes Quartal: 3,4%) deutlich eingebremst (auf 1,4% annualisiert). Die Abschwächungstendenzen am Arbeitsmarkt unterstreichen Abwärtsrisiken für das zweite Halbjahr.
Politische Unsicherheit in den USA
Auch die politische Unsicherheit hat zugenommen: Nach der jüngsten TV-Debatte zwischen Präsident Joe Biden und Trump haben die Chancen für den Herausforderer deutlich zugenommen. Die nationalistische und populistische Agenda ist zumindest nicht hilfreich für eine positive Grundstimmung. Generell wirkt eine solche Politik wachstumsdämpfend (weniger Handel und Immigration) und inflationsfördernd (höhere Zölle). Zudem hat eine Debatte über einen möglichen Rücktritt von Joe Biden als Präsidentschaftskandidat eingesetzt.
Die jüngste TV-Debatte für die anstehende US-Präsidentschaftswahl hat die Chancen für Herausforderer Donald Trump verbessert und eine Debatte über die Kandidatur des amtierenden Präsidenten Joe Biden ausgelöst. © Gerald Herbert / AP / picturedesk.com
Cohabitation in Frankreich
In Frankreich hat die Linke Allianz (Nouveau Front Populaire – NFP) die relative Mehrheit im Parlament erreicht. Die Zentrumspartei von Präsident Emmanuel Macron liegt auf dem zweiten Platz. Das Rassemblement National (RN) ist die drittstärkste Kraft. Typischerweise ernennt der Präsident den Premierminister von der stärksten Partei also der linken Allianz. Eine „Cohabitation“ steht ins Haus.
Das Wahlergebnis hat zumindest zwei Implikationen. Erstens, die Chancen für eine Reduktion des hohen Budgetdefizits sind niedrig. Zweitens, die EU könnte auf der Prioritätenliste nach unten rutschen. In der EU könnten mithin die integrativen Kräfte geschwächt werden. Beides hat Strahlkraft auf die anderen Länder in der EU. Im Vereinigten Königreich ist nach dem Sieg der Arbeiterpartei die Ausgestaltung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik unklar. Eine Austeritätspolitik scheint aber unwahrscheinlich.
Fallende Inflation
In den USA zeigen die Inflationsindikatoren nach den starken Anstiegen in den ersten drei Monaten dieses Jahres eine fallende Tendenz. Die Zentralbank blickt für die Zielerreichung vor allem auf den Deflator für die persönlichen Konsumausgaben. Ohne die schwankungsfreudigen Komponenten Nahrungsmittel und Energie ist der Inflationsindikator im Mai um lediglich 0,1% angestiegen (2,6% im Jahresabstand).
In der Eurozone blieb laut der Schnellschätzung die Kernrate der Konsumentenpreisinflation im Monat Juni bei 2,9% im Jahresabstand. Dabei ist im Monatsabstand der Preisauftrieb deutlich gesunken (0,2%). Die Inflation im Dienstleistungssektor blieb mit 4,1% im Jahresabstand (und 0,3% im Monatsabstand) allerdings hoch.
Powell-Rede
In den kommenden Tagen stehen zwei Ereignisse im Zentrum des Interesses. Am Dienstag und Mittwoch hält der Fed-Vorsitzende Jerome Powell seine halbjährlichen Reden vor zwei Ausschüssen im US-Kongress. Die Frage ist, ob er die Erwartungen für Leitzinssenkungen (nach einer abwartenden Phase) abschwächen, bestätigen oder verstärken wird. Am Donnerstag wird die Veröffentlichung der Konsumentenpreisinflation in den USA für den Monat Juni weitere Aufschlüsse über die Inflationsdynamik liefern.
Fazit: Spielraum für Leitzinssenkungen angestiegen
Die wirtschaftliche und politische Unsicherheit nimmt zu. Immerhin fällt die Inflation in den USA und in der Eurozone. Das erhöht für die Zentralbanken (Fed und Europäische Zentralbank) etwas den Spielraum, auf eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums mit Leitzinssenkungen zu reagieren.
Hinweis: Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.