Am Wochenende fand die Präsidentenwahl in Argentinien statt. Alberto Fernández besiegte mit 48% der Stimmen den amtierenden Präsidenten Mauricio Macri (40,4%). Ein zweiter Durchgang wird nicht notwendig sein.
Das Ergebnis für Macri ist besser als erwartet, es wird zumindest für eine starke Opposition im Parlament und daher für eine grössere Ausgewogenheit bei der Verabschiedung neuer Gesetze sorgen. Fernández gilt als linksorientierter Politiker, mit einer Nähe zum Peronismus/Kirchnerismus.
Der Finanzmarkt befürchtet eine populistische und unorthodoxe Wirtschaftspolitik von Fernández (im Gegensatz zu jener Macris).
Massive Kapitalflucht aus Argentinien
Das Wahlergebnis war abzusehen und hat bereits zu einer massiven Kapitalflucht mit einhergehender Schrumpfung der internationalen Devisenreserven geführt.
Die Landeswährung kollabierte und die Refinanzierungfähigkeit des Landes in fremder Währung wurde so gut wie unmöglich. Bereits am Sonntag verschärfte die Zentralbank die Kapitalverkehrskontrollen massiv, um ein weiteres Ausbluten der Reserven zu verhindern.
Eine neuerliche Umschuldung wird daher unvermeidbar. Auch wenn Alberto Fernández immer wieder von „Restrukturierung Uruguay Style“ redet (KEIN ex ante Kapitalschnitt, nur „freiwillige“ Ausdehnung der Laufzeiten), so ist davon auszugehen, dass ein Schuldenverzicht seitens der Gläubiger (sogar seitens Währungsfonds!) unausweichlich ist.
Es scheiden sich die Geister bei der Einschätzung, wie groß dieser Kapitalschnitt tatsächlich werden könnte, die Szenarien bewegen sich momentan zwischen 20-60%. Wobei die derzeitigen Kurse eher die höhere Ziffer reflektieren.
Umschuldung mit weniger Reibung zwischen Schuldner und Gläubiger
Der Währungsfonds hat seine Auszahlungen unter dem laufenden Programm bis auf weiteres eingestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass Anleihen ausgegeben vor 2016 (vor Amtsantritt Macris, daher bereits mindestens einmal umgeschuldet) präferenziell behandelt werden, wenngleich diese Hypothese mit großen juristischen Bedenken behaftet ist.
Da jedoch alle post 2016 Anleihen mit sogenannten CAC-Klauseln (Collective Action Clauses) versehen sind, dürfte bei deren Umschuldung mit weniger Reibung zwischen Schuldner und Gläubiger zu rechnen sein.
Angesichts der prekären Wirtschaftslage des Landes erwarte ich mir eine zeitnahe Bekanntgabe der Schlüsselpositionen: Wer verhandelt mit den Gläubigern, wer mit dem Währungsfonds, wer wird Finanzminister? Die notwendigen Massnahmen sollten jetzt rasch angekündigt und ergriffen werden, um dem Land und den Investoren wieder Planungssicherheit zu geben.
Auch wird interessant sein zu beobachten, welche Rolle der Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner zukommen wird. Sie war für die völlige Isolation des Landes von den internationalen Kapitalmärkten verantwortlich. Ein zu großer Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen würde vom Markt mit Unwohlsein aufgefasst werden.
Währungsfonds als flexibler Partner
Der Währungsfonds (IWF) hat sich in den letzten Tagen weiter als flexibler „Partner“ des Landes angeboten. Diese Haltung ist angesichts des schieren Volumens (ca $ 50 Mrd.) aushaftender IWF Kredite auch nicht besonders überraschend. Bevor der IWF allerdings konkreter werden kann, bedarf es natürlich vorhergehender Sondierungsgespräche mit den neuen Verhandlungsteams, die ja bisher noch nicht genannt sind.
Exkurs CHILE
Die massiven sozialen Unruhen wurden von Studentenprotesten bezüglich einer eher unscheinbaren Erhöhung von Tarifen des öffentlichen Transportes ausgelöst.
Dies lässt auf eine viel breitere Unzufriedenheit in der Bevölkerung schließen. Das Land genießt ein A1 Investment Grade und kann solide makroökonomische Daten vorweisen. Daran wird sich voraussichtlich auch kurzfristig nichts ändern. In einem drastischen Schritt hat Präsident Sebastián Piñera die gesamte Regierung zum Rücktritt aufgefordert und sucht mittels breitest möglicher Inklusion aller gesellschaftlichen Stakeholder ein neues Regierungsprogramm mit einem neuen Team auf die Beine zu stellen.
Noch zeigt sich die Bevölkerung skeptisch und hält den Druck „der Straße“ aufrecht. Der Markt reagiert bisher relativ gelassen, der 5 Jahres Credit Default Swap des Souveräns dehnte sich von 32 Bps (17.10.2019) auf derzeit 37 Bps aus.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.