Die Augen der internationalen Wirtschaftswelt sind derzeit auf Wien gerichtet. Im OPEC-Hauptquartier in Wiens erstem Bezirk ringen derzeit die Mitgliedsstaaten des Ölkartells OPEC und ihre Verbündeten in Videokonferenzen um eine gemeinsame Entscheidung über Fördermengen und damit die weitere Entwicklung der Ölpreise. Erste informelle Verhandlungen am Wochenende sind OPEC-Kreisen zufolge ergebnislos geblieben.
Die OPEC-Mitglieder selbst haben sich bei ihrem Treffen am Montag auf die Notwendigkeit einer Verlängerung ihrer Förderbeschränkungen um weitere drei Monate von Jänner an verständigt. Dies teilte der algerische Energieminister Abdelmadjid Attar, der derzeit die rotierende OPEC-Präsidentschaft innehat, mit. Doch der schwierigste Teil steht noch aus: Am Dienstag müssen die OPEC-Mitglieder in weiteren Verhandlungen noch ihre Verbündeten aus dem erweiterten Kreis der sogenannten „OPEC+“ auf ihre Seite bringen. Mit Spannung wird erwartet, ob sich der Quasi-OPEC-Führer Saudi-Arabien mit dem Wunsch nach einer Beibehaltung der aktuellen Förderbeschränkungen gegen die Begehrlichkeiten anderer wichtiger Förderländer aus der OPEC+ wie etwa Russland durchsetzt.
Beschlossen wurden die aktuellen Förderbeschränkungen in Reaktion auf die Corona-Pandemie und die damit eingebrochene Nachfrage nach Rohöl. Der Preis für die europäische Referenzölsorte Brent war von Preisen bei 70 Dollar je Fass im April bis unter 20 Dollar abgestürzt. Die US-Ölsorte WTI fiel sogar auf Niveaus um die 10 Dollar je Barrel.
Im April hatten sich die OPEC und ihre Partner auf eine Kürzung der Fördermenge von 9,7 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag geeinigt um dem Ölpreisverfall wegen der Pandemie entgegenzuwirken. Diese Ölmenge entsprach etwa zehn Prozent des globalen Ölangebots. Im August liefen einige der Förderkürzungen aus, und die Produktion musste in Folge nur mehr um 7,7 Millionen Fass gedrosselt werden.
Im Herbst hatte die OPEC ihre Prognose für die Ölnachfrage 2021 angesichts der weltweit überraschend starken zweiten Corona-Welle auf 96,3 Millionen Barrel pro Tag nach unten geschraubt. Als Hintergrund für die Prognoserevision nannte die OPEC in ihrem Monatsbericht ihre ebenfalls nach unten revidierten Prognosen für das Weltwirtschaftswachstum. An den Märkten wurde daher zunächst mit einer Beibehaltung der Förderkürzungen beim anstehenden OPEC-Treffen gerechnet.
Belastet wurden die Ölpreise auch vom erwarteten Wiederhochfahren der libyschen Ölproduktion. Die Blockade wichtiger Ölfelder und Exporthäfen in Libyen durch die Truppen von General Khalifa Haftar hatte die Ölproduktion in dem Krisenstaat heuer zeitweise zum Erliegen gebracht. Im September hatte Haftar allerdings ein Ende der Blockade angekündigt.
Impfstoff-Hoffnungen wecken Begehrlichkeiten auf Fördererhöhungen
Mit den jüngsten Fortschritten potenzieller Impfstoffkandidaten auf dem Weg zur Zulassung mehrten sich aber die Hoffnungen auf eine wieder anziehende Ölnachfrage. Die Brent-Ölpreise stiegen entsprechend zuletzt auf Niveaus knapp unter 50 Dollar pro Fass. Damit stiegen aber auch die Begehrlichkeiten einiger Förderländer die Ölhähne wieder stärker zur öffnen.
Saudi-Arabien und andere wichtige OPEC-Länder wünschen sich OPEC-Insidern zufolge eine Verlängerung der bestehenden Vereinbarungen und Förderkürzungen um drei bis vier Monate. Saudi-Arabien fürchtet eine Ölschwemme und damit Rückschläge beim Abbau der Lagerbestände.
Einige der Verbündeten der OPEC+ drängen aber auf Fördererhöhungen. Russland soll sich etwa für eine stufenweise Erhöhung der Fördermengen ab Jänner aussprechen. Das Land ist wirtschaftlich stark von seinen Ölexporten abhängig und hat daher besonders unter der Pandemie gelitten. Auch Kasachstan lehnt Kreisen zufolge eine Beibehaltung der bestehenden Fördergrenzen ab.
Vom Ausgang der OPEC-Verhandlungen hängt nun jedenfalls die weitere Richtung der Ölpreise ab. Nach Einschätzung von Russland sind die Unstimmigkeiten im Ölverbund derzeit nicht so stark wie im Frühjahr, als ein Preiskrieg führender Ölstaaten die Ölpreise zusätzlich belastet hatte. OPEC-Kreise stellen sich aber auf besonders schwierige Verhandlungen ein.
An den Märkten dürfte Analysten zufolge derzeit eine Beibehaltung der Förderkürzungen eingepreist sein. Eine Fortsetzung der Förderbeschränkungen und die Aussicht auf Corona-Impfstoffe sollten die Ölpreise weiter stützen. So haben auch Großanleger an den wichtigen Rohstoffterminmärkten aktuellen Zahlen zufolge zuletzt verstärkt auf höhere Ölpreise gesetzt.
Sollten die Verhandlungen aber scheitern, erwarten Experten deutliche Rückgänge der Ölpreise. Insbesondere falls auch die weltweiten Reisebeschränkungen noch etwas länger andauern sollten, könnte dies zu einem regelrechten Ölpreiseinbruch führen. Die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) können sich für diesen Fall Ölpreisrückgänge auf bis zu 25 Dollar je Fass vorstellen.
Weichenstellung auch für US-Schieferölindustrie
Von entscheidender Bedeutung ist die OPEC-Entscheidung auch für die heuer mit der Pandemie stark unter die Räder gekommene US-Ölindustrie. Denn von der Höhe der Ölpreise hängt es ab, welche Fördermöglichkeiten profitabel betrieben werden können. Insbesondere die Schieferölproduzenten hängen stark von der Ölpreisentwicklung ab.
Die aus Umweltschutzgründen umstrittene Fracking-Technik, bei der Öl aus Gesteinsschichten gepresst wird, erfordert kostspielige Investitionen. Bei niedrigen Ölpreisen schreiben die Schieferölproduzenten daher Verluste. Sollten die Ölpreise allerdings weiter anziehen, könnten sich auch die USA bald wieder unter den weltweit größten Ölexporteuren finden.
Ölaktien mit starkem Jahresschluss-Spurt
Als Folge der weltweiten Ausgangsbeschränkungen und Betriebssperren gerieten Ölaktien im Frühjahr stark unter Druck. Mit der Erholung des Ölpreises gewannen sie im Jahresverlauf an Terrain und erfuhren im November einen kräftigen Schub nach oben. Mit der Aussicht auf einen Impfstoff gegen die Pandemie und der damit verbundenen Hoffnung auf eine Normalisierung des Wirtschaftslebens im nächsten Jahr könnte sich dieser Trend fortsetzen. Rückschläge im Kampf gegen den Lockdown bzw. eine Nichteinigung der wichtigsten Ölförderländer, was die Ölfördermengen betrifft, können umgekehrt zu erneuten Rückschlägen führen.
Der Aktienfonds ERSTE STOCK COMMODITIES bietet die Möglichkeit von einer Fortsetzung der Erholung des Rohstoffsektors zu profitieren. Unternehmen aus dem Erdöl- und Erdgassektor und damit verbundene Ausrüstungs-, Raffinerie- und Transportunternehmen repräsentieren derzeit immerhin rund die Hälfte des Fondsvermögens.
Fazit: Die Mitglieder der OPEC und ihre Verbündeten ringen wieder einmal um eine gemeinsame Entscheidung über Fördermengen und damit die weitere Entwicklung der Ölpreise. Seit dem Tief im Juni geht es wieder bergauf. Davon profitieren auch die Notierungen der Ölaktien. Sie bringen die Hoffnung auf eine Normalisierung des Wirtschaftslebens 2021 zum Ausdruck.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.