Wasserstoff, in seiner reinen, also atomaren Form, steht an der ersten Stelle des Periodensystems. Sein Elementsymbol ist H, lateinisch für Hydrogenium. Mit einem Massenanteil von etwa 70% der bekannten Masse ist es das häufigste Element im Universum. In seiner reinen Form ist es so reaktions-freudig, dass es auf der Erde nur selten vorkommt. Am häufigsten tritt es hier in Verbindung mit anderen Elementen, z.B. in Wasser (zwei Wasserstoffatome gepaart mit einem Sauerstoffatom) und Kohlenwasserstoffen, insbesondere Erdöl und Erdgas, auf.
Wissenschaftler produzierten Wasserstoff schon lange, bevor es als Element anerkannt wurde. Bereits im 17. Jahrhundert sollen Théodore Turquet de Mayerne (um 1620) und Robert Boyle (um 1670) bei Experimenten rund um die Auswirkungen von Säuren auf Metallen ein Gas erzeugt haben, welches sie Knallgas (eine Mischung von gasförmigem Wasserstoff und Sauerstoff) nannten. 1766 wurde Wasserstoff erstmals vom englischen Chemiker und Physiker Henry Cavendish als eigenständiges Element entdeckt. Im Jahre 1783 erkannte Antoine Laurent de Lavoisier, dass bei der Verbrennung von (Knall-)Gas Wasser entsteht und bezeichnete das brennbare Gas als „hydrogène“ (lateinisch Hydrogenium: „Wasser erzeugender Stoff“) und gab ihm damit seinen heutigen Namen.
Die Herstellung von Wasserstoff
1838 entdeckte der deutsche Chemiker Christian Friedrich Schönbein das Prinzip der Brennstoffzelle, welches die Erzeugung von Strom aus Wasserstoff und Sauerstoff ermöglicht. Drei Jahre später entwickelte der englische Wissenschaftler Sir William Grove in seinem Labor das erste Brennstoffzellenmodell. Mit einer Brennstoffzelle wird die chemische Energie eines Brennstoffs direkt in elektrische Energie und Wärme umgewandelt. Am häufigsten meint man mit einer Brennstoffzelle eine Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle, einige Brennstoffzellentypen können jedoch auch andere Brennstoffe wie Methanol, Butan oder Erdgas nutzen.
Mit Hilfe von Elektrolyseuren kann Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt werden. Dieser Prozess wird als Elektrolyse (Entdeckung im Jahr 1800) bezeichnet und stellt die Umkehrreaktion der zuvor beschriebenen Brennstoffzelle dar. Im Zuge der Energiewende werden Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen.
Warum Wasserstoff?
Wasserstoff ist derzeit in aller Munde, weil es bei der weltweiten Erreichung von Netto-Null-Emissionen als kohlenstofffreier Treibstoff, Stromspeicher oder Energieträger sehr großes Potenzial aufweist. Ergänzend zu anderen Technologien wie erneuerbaren Energien und Biokraftstoffen, könnte Wasserstoff z.B. in der Stahl- und Düngemittelindustrie, in der Petrochemie, im Güterverkehr (zu Lande und zu Wasser) sowie in der Luftfahrt und der Stromerzeugung bzw. -speicherung helfen, diese Bereiche zu dekarbonisieren bzw. klima-neutral zu gestalten. Dies wird aber nur dann funktionieren, wenn die Herstellung des Wasserstoffs klimafreundlich und ressourcenfreundlich erfolgt.
…und was hat das alles nun mit Farben zu tun?
Wasserstoff ist ein farbloses Gas, es gibt also keinen sichtbaren Unterschied zwischen den verschieden Arten von Wasserstoff. Je nach Quelle und Art der Herstellung wird dem Wasserstoff eine Farbe zugeordnet. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es keine allgemeingültige Namens- bzw. Farbkonvention gibt, d.h., die Farbdefinitionen können sich im Laufe der Zeit verändern bzw. sich von Land zu Land unterscheiden. Wir versuchen es trotzdem:
- Schwarzer bzw. brauner Wasserstoff
Von schwarzem bzw. braunem Wasserstoff spricht man, wenn Wasserstoff (H2) im Wege der Gasifizierung (Kohlevergasung) von Steinkohle (schwarz) oder Braunkohle (braun) produziert wird. Bei diesem sehr umweltschädlichen Verfahren entstehen Kohlendioxid (CO2) und Kohlenmonoxid (CO) als Nebenprodukte, welche in die Atmosphäre gelangen.
- Grauer Wasserstoff
Grauer Wasserstoff, die derzeit häufigste Form der Wasserstofferzeugung, wird durch den Prozess der Dampfreformierung aus fossilen Brennstoffen, überwiegend Erdgas, gewonnen. Erdgas wird dabei in Wasserstoff und Kohlendioxid, welches als Abfallprodukt freigesetzt wird, abgespalten. Bei der Herstellung von einer Tonne Wasserstoff fallen so, je nach Brennstoff und Strommix, rund zehn Tonnen CO2 an.
- Blauer Wasserstoff
Dieser wird ebenfalls aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Wasserstoff wird von Methan (CH4) abgespalten Das anfallende Kohlendioxid wird abgeschieden und gespeichert (CO2-Sequestrierung, engl. Carbon Capture and Storage (CCS)). Der Prozess wird als kohlenstoffarm bezeichnet, da bei der CO2-Abscheidung und -Speicherung noch immer Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden. Mögliche Umweltauswirkungen der CO2-Speicherung bedürfen noch weiterer Erforschung. Immer mehr Unternehmen bemühen sich, den abgeschiedenen Kohlenstoff zu nutzen (CO2-Abscheidung und Verwendung, engl. Carbon Capture and Utilization (CCU)). Blauer Wasserstoff wird als Brückentechnologie angesehen.
- Grüner Wasserstoff
Dieser wird durch die Verwendung von „sauberem“ Strom aus regenerativen Quellen wie Wind- bzw. Sonnenenergie im Elektrolyseverfahren hergestellt (Power-to-Gas-Technologie). Dabei wird Wasser (H2O) mittels Strom in Wasserstoff und Sauerstoff (O2) zerlegt. Dieser Prozess gilt als einzige umwelt-freundliche, klimaneutrale Möglichkeit der Wasserstoffgewinnung. Der Anteil von grünem Wasserstoff an der gesamten Wasserstoffproduktion ist derzeit noch sehr gering. Die derzeit größten Heraus-forderungen für grünen Wasserstoff sind der Mangel an ausreichenden erneuerbaren Energien sowie die Notwendigkeit niedriger Strompreise für erneuerbare Energien, um die Wirtschaftlichkeit der Herstellung bzw. die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zu erhöhen.
- Türkiser Wasserstoff
Türkisfarbener Wasserstoff, ein relativ neuer Eintrag in der Wasserstoff-Farbpalette, wird durch ein Verfahren namens Methanpyrolyse hergestellt. Unter Ausschluss von Sauerstoff wird das im Erdgas enthaltene Methan erhitzt, dabei entsteht Wasserstoff und statt gasförmigem CO2, fester Kohlenstoff. Fester Kohlenstoff lässt sich leichter lagern, darüber hinaus kann er in der Chemie- und Elektronik-industrie oder im Straßenbau verwendet werden. Das Verfahren wäre als CO2-neutral zu bewerten, wenn der benötigte Hochtemperaturreaktor ausschließlich mit erneuerbaren Energiequellen betrieben wird. Im Vergleich zur Herstellung von grünem Wasserstoff benötigt dieser Prozess deutlich weniger Energie. Die Umsetzbarkeit dieses Prozesses in industriellem Maßstab muss jedoch erst nachgewiesen werden.
…ab hier wird es wirklich verwirrend!
- Violetter, rosa und roter Wasserstoff
Bei violettem Wasserstoff werden Kernkraft und Wärme genutzt, um das Wasser zu zerlegen. Von rosa Wasserstoff spricht man, wenn die in einem Atomkraftwerk erzeugte Elektrizität für die Wasser-elektrolyse herangezogen wird. Roter Wasserstoff schließlich wird durch die Nutzung der Wärmeenergie von Kernkraftwerken, d.h., des Hochtemperatur-Abwassers, produziert. Seltener wird der mittels Atomstrom erzeugte Wasserstoff auch als gelber Wasserstoff bezeichnet. Im Prozess selbst fällt kein Kohlendioxid an.
- Gelber Wasserstoff
Im englischen Sprachgebrauch wird seit kurzem grüner Wasserstoff, der ausschließlich unter Verwendung von Solarstrom erzeugt wird, als gelber („yellow“) Wasserstoff bezeichnet. Im deutschsprachigen Raum wird darunter in seltenen Fällen die Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse mit Strom aus dem derzeit verfügbaren Strommix, der u.a. auch aus Gaskraftwerken stammen kann, verstanden.
- Oranger Wasserstoff
Aus Bioenergie hergestellter Wasserstoff wird als orangefarbener Wasserstoff definiert. Unter Bio-energie wird dabei kohlenstoffneutrale Energie, welche aus organischen Stoffen, wie z.B. Biomasse, Biokraftstoff, Biogas und Biomethan, etc. erzeugt wird, verstanden. Diese werden aus Abfällen und Reststoffen der Land- und Forstwirtschaft, Haushalten und der Industrie gewonnen. Der Kohlenstoff, der in den organischen Stoffen gebunden war, wird nach der Nutzung wieder in die Umwelt abgegeben. Der Prozess ist somit bestenfalls als kohlenstoffarm zu bewerten.
- Natürlicher, auch weißer oder goldener Wasserstoff
Die Bezeichnung weißer Wasserstoff bezieht sich auf Wasserstoff, der in natürlicher Umgebung, z.B. in den USA, Russland und Mali, vorkommt. Dieser kann durch Fracking, ähnlich wie bei der Ausbeutung fossiler Brennstoffe, gewonnen werden. Zu möglichen Umweltauswirkungen, Explorationsmethoden und Produktionspotential sind noch keine aussagekräftigen Informationen vorhanden.
Ein Blick in die Zukunft?
Derzeit gilt die bereits beschriebene Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mittels Elektrolyse mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Quellen, d.h., die Produktion von grünem Wasserstoff, als die umweltfreundlichste Methode.
Die Forschung steht jedoch nicht still. So wird bereits seit vielen Jahren daran geforscht, Sonnenlicht ohne Umweg über Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung, direkt zum Aufspalten von Wasser zu verwenden. Dafür benötigt man passende Katalysatoren, etwa Titandioxid. Der Prozess der „photokatalytischen“ Wasserspaltung wurde bereits vor 50 Jahren von den japanischen Forschern Akira Fujishima und Kenichi Honda entdeckt.
Fortschritte in der Forschung
Auch wenn schon relativ lange an diesem Prozess gearbeitet bzw. geforscht wird, konnte die Effizienz noch nicht so weit gesteigert werden, dass sich Wasserstoff im industriellen Maßstab erzeugen lässt. An der TU Wien wurden nun wichtige Schritte in diese Richtung gesetzt. Dabei werden winzige anorganische Cluster, die nur aus einer geringen Zahl an Atomen bestehen, auf Titanoxid, einer lichtabsorbierenden Unterstruktur, verankert. Die Kombination der Cluster und der ausgewählten Halbleiterstruktur führen dann zum gewünschten Verhalten, also das die Energie des absorbierten Lichts im Titanoxid frei bewegliche Elektronen und frei bewegliche elektrische Ladungen entstehen lässt, die es den auf der Oberfläche genau platzierten Atomclustern ermöglicht, die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu erleichtern.
Nun arbeitet man daran, die genaue Struktur weiter zu verbessern, um die Effizienz zu steigern. Zum Einsatz kommen dabei relativ kostengünstige Materialien wie Kobalt, Wolfram, und Sauerstoff, die für die Oxidation von Sauerstoff verantwortlich sind sowie Schwefel und Molybden, die sich besonders zur Herstellung von Wasserstoffmolekülen eignen. Bei Kobalt und Wolfram wäre auf jeden Fall wieder erhöhte Aufmerksamkeit in der Lieferkette gefordert, da diese unter anderem in Konflikt- und Hochrisikogebieten abgebaut werden, wo es wiederholt zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist.
Dieser Beitrag ist Teil des ESGenius Letter zum Thema Die Energie der Zukunft. Die weiteren Artikel mit Informationen und Insights rund um nachhaltige Energienutzung finden Sie hier.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.
Erläuterungen zu Fachausdrücken finden Sie in unserem Fonds-ABC.
Quellen:
Five charts on clean hydrogen and net zero | McKinsey
Transportoptionen für grünen Wasserstoff (energiesysteme-zukunft.de)
Wasserstoff – Wikipedia
Kohlenwasserstoffe – Wikipedia
It’s Elemental – The Element Hydrogen (jlab.org)
Hydrogen | H (Element) – PubChem (nih.gov)
Knallgas (chemie.de)
Brennstoffzelle – Wikipedia
Elektrolyse – Wikipedia
Hydrogen | Air Liquide Energies
Hydrogen – what is it? | Hydrogen energy | National Grid Group
Hydrogen colours codes – H2 Bulletin
The hydrogen colour spectrum | National Grid Group
Welche Farben hat Wasserstoff? (chemietechnik.de)
Die Wasserstoff-Farben – was bedeuten sie? | EnBW
IKEM_Kurzstudie_Wasserstoff_Farbenlehre.pdf
Die Farben des Wasserstoffs | #explore (tuev-nord.de)
Wasserstoff | Was verbirgt sich hinter der H2-Farbpalette? | springerprofessional.de
Was bedeuten die Farben von Wasserstoff? – ingenieur.de
What do the different hydrogen colors mean? – H2 News (hydrogenfuelnews.com)
Natürlicher Wasserstoff – Wikipedia
Natürlicher Wasserstoff: eine potenzielle erneuerbare Energiequelle – La Revue des Transitions
Chemie: Mit Licht „grünen“ Wasserstoff erzeugen – science.ORF.at
Licht statt Strom: Eine neue Art von „grünem Wasserstoff“ | TU Wien
Konfliktrohstoff – Wikipedia