Anfang Mai ist es wieder so weit: Alljährlich reisen zehntausende Anleger zur Jahreshauptversammlung von Warren Buffets Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway – die weltweit größte Veranstaltung dieser Art. Während des mehrtägigen Events teilt das 92-jährige „Orakel von Omaha“ seinen Blick auf die weltwirtschaftliche Lage und stellt sich Fragen zu seinen Investmententscheidungen. Gleichzeitig finden aber auch Abstimmungen der Anteilseigner über Unternehmenspolitik, Aufsichtsratsposten sowie die Wiederwahl Buffets selbst als Vorsitzenden statt.
Die Monate Mai und Juni stellen traditionell den Höhepunkt der Hauptversammlungssaison – auch genannt „Proxy Season“ – des Jahres dar. Hier haben Aktionär:innen börsennotierter Aktiengesellschaften die Möglichkeit, ihre Stimmrechte auszuüben, um die zukünftige Entwicklung des Unternehmens zu bestimmen. Eine Gelegenheit, um auch im Bereich Nachhaltigkeit positive Veränderungen herbeizuführen.
Was sind Shareholder Proposal?
Die Anträge auf Hauptversammlungen werden typischerweise vom Management des Unternehmens gestellt. So stellt das Management auch die Kandidat:innen für die Vorstandspositionen auf. Aktive Investor:innen wie die Erste AM haben die Möglichkeit, gegen die Vorschläge zu stimmen – zum Beispiel bei Versäumnissen des Managements, ESG-Risiken angemessen zu managen oder zu verringern.
Doch nicht nur das Management kann Punkte zur Abstimmung stellen. Durch sogenannte Shareholder Proposal – also Aktionärsanträge – können Fondsgesellschaften, Impact Investors oder NGOs eigene Agenden einbringen. Shareholder Proposal können theoretisch von jedem Anteilseigner eines Unternehmens eingereicht werden. In den letzten Jahren haben sowohl die Anzahl als auch die Erfolgsraten von Shareholder Proposal immer weiter zugenommen.
Wie wird Voting bei der Erste AM eingesetzt?
Die Erste AM möchte als Investor aktiv gegenüber Unternehmen für Maßnahmen in Richtung soziale Verantwortung, Umweltschutz oder stärkere Transparenz eintreten.
Seit 2015 werden die Stimmrechte für alle gehaltenen Aktien gemäß unserer Voting-Richtlinie ausgeübt – nicht nur in unseren ERSTE RESPONSIBLE Fonds, sondern in allen Aktienpublikumsfonds. Die Ausübung von Stimmrechten erfolgt bei einem Aktienbestand von mehr als 2 Mio. Euro oder 5% der ausstehenden Aktien im Erste AM-Bestand – also dann, wenn die Stimmen ins Gewicht fallen können.
Im Jahr 2022 hat die Erste AM bei 495 Unternehmen aus 34 verschiedenen Ländern Stimmrechte ausgeübt. In 12,8% davon wurde gegen die Empfehlung des jeweiligen Managements abgestimmt. Besonders hervorzuheben war die Unterstützung von Aktionärsanträgen gegenüber dem Management: Bei den Shareholder Proposals wurde sogar bei 73% der Vorschläge gegen die Empfehlung des Vorstands gestimmt. Davon entfielen 39% der Votes auf den Bereich „Governance“, 46% auf den Bereich „Social“ und 14% auf den Bereich „Environment“.
Beispiele für nachhaltiges Voting
Diese Unternehmen wurden Beispielhaft ausgewählt und stellen keine Anlageempfehlung dar.
Netflix, Inc.
Antrag: “Report on Lobbying Payments and Policy”
Auf der Jahreshauptversammlung von Netflix wurde über einen Aktionärsantrag abgestimmt, der mehr Transparenz im Bereich Lobbying einfordert. In dem Antrag heißt es: „Wir sind besorgt, dass die fehlende Offenlegung von Netflix ein Reputationsrisiko darstellt, wenn die Lobbyarbeit im Widerspruch zu den öffentlichen Positionen des Unternehmens steht”. Der Antrag verpflichtet Netflix dazu, jährlich einen Report zu erstellen, der Lobbyaktivitäten und -zahlungen des Unternehmens offenlegt. Inklusive der Stimmen der Erste AM fand sich auf der Hauptversammlung eine breite Mehrheit der Investoren, den Antrag entgegen der Empfehlung des Managements durchzusetzen.
McDonald’s Corporation
Antrag: “Report on Third-Party Civil Rights Audit”
Auch auf der Hauptversammlung von McDonalds wurden im vergangenen Jahr einige Aktionärsanträge eingebracht. Mit den Stimmen der Erste AM wurde unter anderem ein Shareholder Proposal unterstützt, welches sich für ein Civil Rights Audit, also eine Prüfung der Unternehmenspolitik und den Produkten von McDonald’s hinsichtlich Bürgerrechte, einsetzt.
ISS (International Shareholder Services), Partner der Erste AM bei der Ausübung von Stimmrechten, erklärt: „Eine unabhängige Prüfung der Bürgerrechte würde den Aktionären helfen, die Wirksamkeit der Bemühungen von McDonald’s, das Problem der Ungleichheit in der Belegschaft anzugehen, besser zu beurteilen”. Auf der Hauptversammlung sah das auch die Mehrheit der Investorinnen und Investoren so: Der Antrag wurde entgegen der Empfehlung des Managements angenommen.
Berkshire Hathaway Inc.
Antrag: “Report on GHG Emissions Reduction Targets”
Auch bei Berkshire Hathaway wurden letztes Jahr Stimmrechte der Erste AM ausgeübt und insgesamt 4 Shareholder Proposal unterstützt. Unter anderem gab es einen Vorschlag, der auf die Reduzierung von Treibhausgasemissionen abzielt. Berkshire besitzt mehrere Tochtergesellschaften und Investments im Energiesektor, hat allerdings kein Net-Zero Target formuliert. In Vergangenheit wurden ähnliche Vorschläge aktivistischer Investoren von großen Investmentfirmen wie BlackRock, Vanguard oder StateStreet unterstützt. Allerdings fand sich insgesamt keine Mehrheit – auch, weil Warren Buffet selbst mithilfe von Sonderaktien, die ihm mehr Stimmrechte geben, die Aktionärsanträge blockierte. Die New York Times kommentierte vor der letzten Hauptversammlung: „Das Abstimmungsergebnis könnte für Buffett dennoch peinlich sein, wenn es signalisiert, dass die meisten Aktionäre nicht mit ihm einverstanden sind”.
Auch im Mai wird es auf der kommenden Jahreshauptversammlung von Berkshire wieder einige Shareholder Proposal geben. Durch die aktive Stimmausübung möchte die Erste AM auch dieses Jahr wieder dazu beitragen, den Druck auf das Unternehmen aufrechtzuerhalten und sich für nachhaltige Veränderungen einzusetzen.
Erläuterungen zu Fachausdrücken finden Sie in unserem Fonds-ABC.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.