Das britische Unterhaus (House of Commons) hat am Dienstag den zwischen der britischen Regierung und der EU ausverhandelten Austrittsvertrag mit 432 zu 202 Stimmen deutlich abgelehnt. Mit dieser gewaltigen Niederlage hat es Theresa May zweieinhalb Jahre nach dem Brexit-Referendum nicht geschafft einen Konsens im Parlament zu finden. Dieses Ergebnis war allgemein erwartet worden. Es ist wenig Zeit für weitere Verhandlungen. Die chaotischen Zustände werden verlängert.
Für die weitere Entwicklung besteht eine erhebliche Unsicherheit. Grundsätzlich gibt es 4 mögliche Entwicklungen:
1. Ein„harter“ BREXIT
Beziehungsweise ein Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Austrittsvertrag. Premierministerin May (sollte sie das gegen sie eingeforderte Misstrauensvotum heute Abend bestehen) hat nun bis kommenden Montag Zeit um einen alternativen Plan dem Parlament vorzulegen. Das ist wenig realistisch. Resolutionen für eine Veränderung des Austrittsvertrages werden wahrscheinlich verabschiedet werden. Es wird jedoch schwer sein einen Konsens im Parlament zu finden. Selbst wenn im Parlament eine Mehrheit für eine Position gefunden wird, muss diese noch mit der EU ausverhandelt werden. Dafür bleibt nicht mehr viel Zeit. Schlussendlich akzeptieren die Abgeordneten den „harten“ Brexit. Dieses Umfeld ist negativ für das Britische Pfund.
2. Ansuchen um eine Verlängerung für den Stichtag (29. März).
Das ist möglich, allerdings müssten die anderen 27 EU Staaten zustimmen. Der verlängerte Stichtag würde wahrscheinlich vor den EU-Parlamentswahlen liegen, die am 23 Mai beginnen. In diesem Szenario ist viel möglich: So könnten ein neuerliches Referendum über den Ausstieg des UK von der EU oder Neuwahlen stattfinden. Daraus resultieren zwei Entwicklungspfade: Entweder kein Brexit (siehe Punkt 4) oder abermals zähe Verhandlungen mit einem nicht vorhersagbaren Ausgang zwischen der Regierung und dem Parlament sowie der EU. Der Ausblick für das Britische Umfeld bleibt sehr unsicher. Natürlich könnte letztendlich ein Kompromiss zwischen dem UK und dem Parlament gefunden (siehe den nächsten Punkt) werden.
3. „Geordneter“ Brexit beziehungsweise ein Austritt des UK mit einem Austrittsvertrag.
Entweder der bestehende Austrittsvertrag wird doch akzeptiert, oder im Parlament werden Abänderungen verabschiedet, die die EU akzeptiert. Die Verhandlungen über die zukünftigen Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU können beginnen. So könnte zum Beispiel das UK doch in der Zollunion bleiben oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) beitreten. Das würde einen „soften“ Brexit darstellen. Oder die Übergangsperiode nach dem Brexit könnte auf einen langen Zeitraum ausgedehnt werden. Dieses Szenario ist günstig für das Britische Pfund.
4. Kein Brexit beziehungsweise Rückzug vom Austrittsprozess nach Artikel 50.
Ob es für dieses Szenario vor einem neuen Referendum oder vor Neuwahlen eine Mehrheit im Parlament geben wird, ist fraglich. Das Parlament könnte jedoch ein Gesetz verabschieden, wonach das UK in der EU bleiben soll, wenn kein Kompromiss zwischen der EU und dem UK gefunden wird. Die gesetzliche „Voreinstellung“ wird von „harter Brexit auf „kein Brexit“ verändert. Dieses Szenario ist sehr positiv für das Britische Pfund.
FAZIT:
Die Liste an Fehleinschätzungen wird länger (David Cameron über den Ausgang des Brexit-Referendums, Theresa May mit der Drohung eines „harten“ Brexit). Somit bleibt nur noch die Hoffnung, dass die rationalen Argumente überwiegen und zumindest ein Austritt ohne Austrittsvertrag vermieden wird.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.