Das Jahr 2022 wird uns mit zahlreichen Superlativen und Schlagzeilen in Erinnerung bleiben: Rekordinflation, schnelle Zinserhöhungen, große Renditeanstiege auf globaler Ebene und vieles mehr. Die Japanische Zentralbank (Bank of Japan, kurz: BoJ) hat mit ihrer geldpolitischen Sitzung am 20.12.2022 die letzte Zentralbank-Entscheidung der großen G-4 Zentralbanken abgehalten. Somit ist das ereignisreiche Jahr 2022, was die Zentralbanken betrifft, beendet.
Überraschung der Bank of Japan
Bei ihrer letzten geldpolitischen Sitzung überraschte die BoJ Markteilnehmer:innen, indem sie ihren Rahmen für die Steuerung der Rendite-Kurve (engl. YCC – „Yield Curve Control“) viel früher als erwartet änderte. Mit diesem geldpolitischen Instrument verhinderte die Notenbank ungewollte Rendite-Veränderungen in beide Richtungen. Parallel dazu ließ sie den Leitzins und das Renditeziel für 10-jährige Anleihen (- 0,1 % bzw. 0,0 %) vorerst unverändert. Was die Änderung der Politik betrifft, überraschte die Erhöhung des tolerierten Handelsbandes um dieses 0 % Niveau von zuletzt +/- 25 Basispunkten auf +/- 50 Basispunkten. Und läutet somit den Beginn eines möglichen Endes der ultralockeren Geldpolitik ein. Die BoJ ist im Vergleich zu anderen Zentralbanken in diesem Jahr eher ein Nachzügler gewesen. Während andere Zentralbanken ihren größten Straffungszyklus seit einer Generation eingeleitet haben, hielt sie die Zinssätze an der unteren Nullgrenze bei.
In der Tat sollten die Auswirkungen nicht unterschätzt werden: Mit einer strafferen Politik der Bank of Japan würde einer der letzten globalen Anker wegfallen, der dazu beigetragen hat, die Kreditkosten auf breiter Front niedrig zu halten. Die Tatsache, dass die BoJ die Finanzmärkte erneut überrascht hat, ist jedoch nicht neu: frühere, unerwartete Schritte haben zum Ruf beigetragen, dass die japanische Zentralbank die Märkte von Zeit zu Zeit überrascht.
Abbildung: Entwicklung 10-jährige japanische Staatsanleihe & Yield Curve Control (YCC)
Wenig überraschend, sind die Renditen japanischer Staatsanleihen aufgrund der Ankündigung stark angestiegen. Die Rendite einer 10-jährigen Anleihe kletterte unmittelbar nach um ungefähr 15 Basispunkte (100 Basispunkte = 1%) auf 0,41%, nachdem sie monatelang bei 0,25% verharrt hatte. Ebenso beflügelt von dem überraschenden Schritt, konnte der Japanische Yen (JPY) ein Comeback gegen den US-Dollar und dem Euro feiern und um mehr als 3% aufwerten.
Wo liegt der faire Wert einer japanischen Staatsanleihe?
In ihrem geldpolitischen Statement verlautbarte die Zentralbank, dass die Beweggründe für die Entscheidung folgende waren:
- das Funktionieren des Anleihenmarktes zu verbessern,
- eine reibungslosere Bildung der gesamten Renditekurve zu fördern und
- gleichzeitig die akkommodierenden finanziellen Bedingungen beizubehalten.
Überrascht hat sie jedoch mit ihrer Ankündigung einer erheblichen Ausweitung ihrer JGB-Kaufoperationen. Die BoJ wird den Umfang ihrer regelmäßigen, monatlichen Ankaufsoperationen im ersten Quartal 2023 von 7,3 Billionen JPY auf ungefähr 9 Billionen JPY erhöhen. Darüber hinaus bietet sie an, 10-jährige JGB (Staatsanleihen) zu einer Rendite von 0,5 % an jedem Geschäftstag im Rahmen von Festsatzkäufen zu erwerben.
Die Entscheidung die Kontrollspanne zu erhöhen war im aktuellen Umfeld sinnvoll. Gleichzeitig die Kaufvolumina zu erhöhen, um das neue Ziel zu verteidigen, trübt die Entscheidung ein wenig. Um einen möglichen fairen Wert (engl. fair value) der 10-jährigen Japanischen Staatsanleihe zu identifizieren, kann man den 10-jährigen Japanischen Swap-Satz heranziehen.
Abbildung: 10-jährige japanische Staatsanleihen Rendite & 10-jähriger Swapsatz
Vergleicht man den 10-jährigen JPY Swapsatz mit der 10-jährigen Japanischen Staatsanleihe, wäre ein möglicher fairer Wert eine Rendite von ungefähr 0,75%.
Übergang zu neuem Notenbank-Präsidenten
Die Entscheidung der Notenbank bei ihrer letzten geldpolitischen Sitzung im Jahr 2022 wirkt umso überraschender, wenn man bedenkt, dass der aktuelle Vorsitzende Haruhiko Kuroda, seine zweite und letzte Amtszeit im April 2023 abhält. Zuletzt gab er immer wieder „taubenhafte“ Kommentare von sich (gemeint eine Geldpolitik, die versucht, das Wirtschaftswachstum eher zu fördern als zu bremsen, Anm.) und sich für eine lockere Geldpolitik stark machte. Möglicherweise kann die Entscheidung als ein erstes Eingeständnis gegenüber dem Aufwärtsdruck der globalen Renditen und zeitgleich eine Wegvorbereitung für Kurodas Nachfolger gedeutet werden.
Im Moment wird der aktuelle Vizepräsident Masayoshi Amamiya als Nachfolger gehandelt. Amamiya fährt eine ähnliche Linie wie Kuroda. Somit sollten potenzielle Überraschungen ausbleiben. Für die Zukunft wird der Schwerpunkt der Bank of Japan einerseits auf der Überarbeitung eines Teils der Forward Guidance (d.h. die Kommunikation künftiger geldpolitischer Absichten) sein. Diese sind zum Teil noch an COVID-19 gebunden. Andererseits soll das Abkommen zwischen der Regierung und der Zentralbank von 2013 überarbeitet werden.
Im Basisszenario wird die BoJ die Grundsätze der aktuellen Politik beibehalten und somit keine zusätzlichen Änderungen ihrer Politik im Jahr 2023 vornehmen. Ein Risikofaktor in diesem Szenario sind die jährlichen Lohnverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern im Frühling. Sollte es hier zu einem Abschluss von höher als 3% kommen, wäre ein weiterer Schritt in Richtung Normalisierung der Zinspolitik nicht auszuschließen.
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