Das globale Wirtschaftswachstum ist schwach und die Abwärtsrisiken sind erhöht. Der Kapitalmarkt ist jedoch bereits weit vorgelaufen, indem teilweise eine Materialisierung der Risiken einpreist wird. Die aktuellen Daten und Entwicklungen deuten unmittelbar nicht darauf hin, dass diese Risiken schlagend werden. Zu diesem Bild passt die derzeitige, zumindest kurzfristige Erholungsphase auf den Aktienmärkten.
Die letzten Tage und Wochen hatten es in sich. Die Marktteilnehmer sind verunsichert, der Pessimismus ist gestiegen. Die Verunsicherung ist gerechtfertigt, den Pessimismus halten wir – auf kurze Sicht – für übertrieben. In den Marktpreisen ist mittlerweile eine scharfe und unmittelbare wirtschaftliche Abschwächung, also eine – teilweise – Materialisierung der vorhandenen Risiken eingepreist.
In der Tat geben die vorliegenden Daten kaum Anlass für allzu euphorische Prognosen: Das Wachstum ist niedrig. Das globale Bruttoinlandsprodukt ist im vierten Quartal 2015 nur noch um rund 1,8% gegenüber dem Vorquartal gewachsen. Zudem deuten für die kommenden Quartale wichtige Frühindikatoren wie jene der OECD auf eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums in den Industriestaaten sowie auf eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau in den Schwellenländern hin. Der seit Jahren andauernde Prozess der Wachstumsenttäuschungen wird sich voraussichtlich im Trend fortsetzten.
Was die Daten auch aussagen: Eine Rezession wird unmittelbar nicht angedeutet. So werden etwa die Einzelhandelsumsätze in den USA vom gefallenen Ölpreis unterstützt.
Die Inflation ist weltweit sehr niedrig. Wenn sich die Energiepreise stabilisieren, werden die Jahresinflationsraten im 2. Halbjahr aufgrund des Basiseffektes etwas ansteigen. Von Interesse sind die möglichen Zweitrunden- und Überwälzungseffekte von den fallenden Güterpreisen auf die höheren Servicepreise. Ein Erreichen der jeweiligen Inflationsziele der Zentralbanken ist nicht absehbar. Neben dem dramatischen Verfall der in den Anleiherenditen eingepreisten Inflationsraten sind in den USA nun auch die Inflationserwartungen der Konsumenten gefallen. Ein Übergang von einer niedrigen Inflation („Lowflation“) zu einer Deflation wird nicht angezeigt. Die Risiken dafür bleiben erhöht.
Ölpreisentwicklung (01/2006 – 02/2016)
Rohstoffpreise und Schwellenländer-Währungen stabilisiert
Neben den Wachstumsenttäuschungen (hinsichtlich realem Bruttoinlandsprodukt und Inflation) beeinflussen der Verfall der Rohstoffpreise und der Anpassungsprozess in den Schwellenländern die Märkte. Vor allem aufgrund der stark gesunkenen Erwartungen für Leitzinsanhebungen in den USA und der damit einhergehenden Abschwächung des handelsgewichteten US-Dollars haben sich die Rohstoffpreise und die Emerging Markets Währungen stabilisiert. Die Situation bleibt angespannt. Unter anderem hat sich die Liquiditätsversorgung für die Schwellenländer eingetrübt. Zudem schrumpfen in China sowohl die Exporte als auch die Importe, und die chinesischen Fremdwährungsreserven fallen rasant.
Das Finanzumfeld ist restriktiver geworden. Die Aktienkurse sind gefallen, die Renditeaufschläge für das Kreditrisiko haben sich ausgeweitet und die Volatilitäten sind angestiegen. Das Risiko besteht in einer negativen Rückkopplung vom Stress auf den Finanzmärkten auf die Banken und die „Realwirtschaft“. Eine Stabilisierung auf den Märkten würde dieses Risiko verringern.
Die Zentralbanken haben auf dieses Umfeld mit expansiven Signalen reagiert. Immer mehr Zentralbanken implementieren eine Negativzinspolitik. Ende Jänner hat die japanische Zentralbank den Zinssatz für die zusätzliche Überschussliquidität der Geschäftsbanken bei der Zentralbank in den negativen Bereich auf minus 0,1% gesenkt. Die Europäische Zentralbank wird Anfang März den Einlagenzinssatz weiter von aktuell -0,3% absenken. (-0,50% sind eingepreist.) Auch die US-Notenbank Chefin Yellen hat in einer wichtigen Rede vor dem US-Kongress eine abwartende Haltung angezeigt. Eine US-Leitzinsanhebung passt nicht zu dem fragilen globalen Umfeld. Die nur noch stagnierende Geldbasis (M0) scheint bereits nachteilig genug für die Finanzmärkte zu sein.
Die Negativzinspolitiken der Zentralbanken produzieren jedoch auch Kollateralschaden. Unter anderem beschädigen sie die Profitabilität der Banken. Auch damit – und nicht nur mit der Befürchtung eines höheren systematischen Risikos – kann die Neubewertung des Bankensektors erklärt werden.
In einem halben Jahr werden uns die jüngsten Verwerfungen nur mehr ein müdes Lächeln abringen können..