Das Volumen nachhaltig investierter Vermögen wächst in Europa stark. Für den deutschsprachigen Raum gibt der Marktbericht des Forums für nachhaltige Geldanlagen (FNG) einen Eindruck über die Wachstumsdynamiken nachhaltig investierter Vermögen. So wachsen beispielsweise in Österreich gemäss FNG nachhaltige Investmentfonds und Mandate überdurchschnittlich stark mit rund 44 Prozent und in Deutschland erreicht die Summe nachhaltiger Geldanlagen mit EUR 219 Milliarden einen neuen Höchststand.[1]
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Analoge Wachstumszahlen findet die «IFZ Sustainable Investments Studie 2018» des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern für den Schweizer Markt. So haben nachhaltige Schweizer Publikumsfonds im letzten Jahr CHF 21 Milliarden Nettoneugeld angezogen. Das ist doppelt so viel wie der Gesamtmarkt.[2] Zu massgeblichen Teilen ist das Segment der institutionellen Investoren für dieses Wachstum verantwortlich. Für Österreich dürfte die Wachstumsdynamik ähnlich sein.
Warum wächst der Markt für Nachhaltige Anlagen?
Doch wieso wächst der Markt für nachhaltige Geldanlagen so stark und aus welchen Gründen legen institutionelle Investoren ihren Investmententscheidungen vermehrt nachhaltige Kriterien zugrunde?[3]
Will man die Nachfrage von Investoren nach entsprechenden Anlagen besser verstehen, so kann man ihre primären Motive typologisch in zwei Kategorien unterteilen. Vor allem institutionelle Investoren versprechen sich eine bessere risiko-adjustierte Rendite von einem Anlagestil, der nachhaltige Kriterien im Investmentprozess berücksichtigt. Ein anderer Teil der Investoren legt vorrangig Wert darauf, mit nachhaltigen Investments eine positive Wirkung auf ökologische und soziale Herausforderungen zu erzielen und die Umsetzung von Prinzipien guter Unternehmensführung zu fördern. Beide Motive – das primär finanzielle und das primär wertnormative – werden oftmals miteinander verknüpft.
Im Segment der institutionellen Asset Holder, bei denen primär ökonomische Motive im Zentrum nachhaltiger Investments stehen, können Versicherungen als führend bezeichnet werden. Sie nehmen eine Vorreiterrolle bei nachhaltigen Investments ein. Die Versicherungswirtschaft ist aufgrund ihrer Grösse und der kollektiven Übernahme von Risiken weltweit eine Schlüsselindustrie. Sie wird häufig als eine der nachhaltigsten Branchen bezeichnet, weil ihr Geschäftsmodell stärker als in vielen anderen Branchen auf die Zukunft ausgerichtet ist.
Insbesondere in den Personenversicherungen (z.B. bei Lebensversicherungen) werden Verpflichtungen oft erst in 30, 40 oder 50 Jahren eingelöst. Dies bedingt, dass die betreffenden Kapitalanlagen auf Jahrzehnte hinaus tragfähig sein müssen. Risiken, die sich erst in ferner Zukunft materialisieren können, müssen frühzeitig erkannt und gesteuert werden. Klimawandel, demografischer Wandel und überforderte Gesundheitssysteme sind dabei Risiken, die für die Versicherer unmittelbar geschäftsrelevant sind.
Die Doppelrolle von Versicherungen
Weil die Versicherungsindustrie eine Doppelrolle erfüllt, hat sie ein besonders ausgeprägtes Sensorium für die richtige Einschätzung der Risikodimension von nachhaltigen Investments: Versicherer sind zugleich Risikomanager und -träger in ihrem eigentlichen Kerngeschäft und grosse institutionelle Investoren auf der Kapitalanlageseite. Nachhaltige Anlagen werden in der Versicherungswirtschaft zunehmend als Grundlage eines verbesserten Risikomanagements verstanden und die Signale mehren sich, dass Versicherungen als Investoren dem Thema nachhaltige Kapitalanlage grössere Aufmerksamkeit widmen.
Ähnlich, und doch anders sieht die Ausgangslage bei Pensionskassen aus. Vorsorgeeinrichtungen legen ihre Anlagen im Einklang mit den Bedürfnissen ihrer Destinatäre an, also vorwiegend risikoarm und sicher, so dass die Versicherten im Alter eine gute Rente beziehen können. Verschiedene Erhebungen zeigen, dass es vielen Versicherten heute allerdings keineswegs gleichgültig ist, wie eine Rendite erzielt wird. Wir beobachten eine wachsende Sensibilität bei Pensionskassen-Versicherten für die Berücksichtigung nachhaltiger Anlagekriterien.
Ein hohes Interesse und eine wachsende Sensibilität für nachhaltige Anlagen drücken sich dabei nicht nur in den Anlagepräferenzen der Versicherten von Pensionskassen aus, das heisst den Eigentümern der von Pensionskassen treuhänderisch verwalteten Vermögen zur Alterssicherung. Auch die breitere Öffentlichkeit ist zunehmend für das Thema sensibilisiert und dies kommt in einem wachsenden Medienecho zum Ausdruck. Dieser öffentliche Druck auf Pensionskassen scheint sich im Zusammenhang mit den breiten Debatten zum Klimawandel zu verstärken.
Bedeutung der treuhänderischen Pflicht
Mit dem angesprochenen Begriff der treuhänderischen Pflicht ist ein weiteres wichtiges Feld angesprochen, dessen Bedeutung für das Wachstum nachhaltiger Anlagen vermehrt wichtiger wird. Für Pensionskassenverwalter stellt sich die Frage, ob die Nichteinhaltung von Nachhaltigkeitskriterien die fiduziarische Pflicht der Pensionskassen verletzt. In der Vergangenheit haben Pensionskassen oft die Ansicht vertreten, dass nachhaltige Investments unvereinbar seien mit dem Ziel, stabile, langfristige und kostengünstige Renditen zu erzielen.
Dieses Narrativ dreht sich: Heute beobachten wir, dass Pensionskassen Nachhaltigkeitskriterien vermehrt speziell aus Risikoüberlegungen berücksichtigen. Dieses zunehmende Bewusstsein für positive Risikoeigenschaften nachhaltiger Anlagen bei Pensionskassen deckt sich wiederum mit den beschriebenen Motiven der Versicherungen.
Bei gemeinnützigen Stiftungen ist die Ausgangslage eine andere als bei Versicherungen und Pensionskassen. Einerseits können Stiftungen mancherorts von steuerlichen Begünstigungen profitieren. Andererseits haben Stiftungen einen Stiftungszweck, dem das Stiftungskapital zu dienen hat und dessen Anlage in Einklang mit dem Stiftungszweck stehen sollte. Dabei kommt dem Begriff der «Wirkungseinheit» eine wichtige Bedeutung zu. Damit gemeint ist, dass alle Aktivitäten einer gemeinnützigen Stiftung – die Fördertätigkeit und die Anlagetätigkeit – konsistent zusammenwirken sollen.
Eine Stiftung soll deshalb ihre soziale Verantwortung nicht nur bei Vergabungen, sondern immer auch dann wahrnehmen, wenn es um die Anlage des Stiftungsvermögens geht, aus dem die Fördertätigkeit langfristig alimentiert wird. Demnach soll eine gemeinnützige Stiftung in ihrer Vermögensanlage darauf achten, ihr Vermögen zweckgerichtet («mission-based») und nachhaltig anzulegen. In diesem Sinne sind die Motive von gemeinnützigen Stiftungen für nachhaltige Investments primär wertnormativ geprägt, obschon natürlich bei vielen Stiftungen auch finanzielle Beweggründe damit verbunden sind.
In der Summe führen diese Motive dazu, dass institutionelle Investoren vermehrt nachhaltig anlegen. Betrachtet man diese Beweggründe, so spricht vieles dafür, dass es sich bei mehr Nachhaltigkeit in der Geldanlage um einen säkularen, langfristigen Trend handelt, der anhalten wird. Zukünftig stellt sich die Frage, welchen Effekt denn eigentlich Investoren mit diesem Anlagestil auslösen. Die Messung des Impacts nachhaltiger Anlagen und auch ein transparentes Reporting werden wichtiger werden.
Sustainable Investments Day
Der Sustainable Investments Day 2019 nimmt institutionelle Investoren und ihre Erfahrungen mit nachhaltigen Kapitalanlagen in den Blick. Der Sustainable Investments Day 2019 thematisiert dieses Jahr auch aktuelle Trends und Entwicklungen in der Branche und nimmt Bezug auf Spezialthemen. Dieses Jahr wird speziell die Anlageklasse der Nachhaltigen Bonds bzw. Green Bonds beleuchtet.
TERMIN: 21. November 2019, 13:15 bis 17:00 Uhr
Veranstaltungsort
Zunfthaus zur Schmiden
Marktgasse 20
8001 Zürich
Gastautoren:
Dr. Manfred Stüttgen, Brian Mattmann, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern
[1] Vgl. FNG (2019), Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2019.
[2] Vgl. Mattmann/Stüttgen (2018), IFZ Sustainable Investments Studie 2018.
[3] Dieser Blogbeitrag stützt sich auf die IFZ Sustainable Investments Studien 2017 und 2018. Autorenschaft: Manfred Stüttgen/Brian Mattmann
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.