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Nachhaltige Planwirtschaft? Kritik einer Erfolgsgeschichte

Nachhaltige Planwirtschaft? Kritik einer Erfolgsgeschichte
Nachhaltige Planwirtschaft? Kritik einer Erfolgsgeschichte
(c) museums-victoria-unsplash
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„Nachhaltigkeit“ ist in den Geschäftsberichten 2019 aller 20 Gesellschaften des ATX zu finden – und in der Regel öfter als etwa Begriffe wie „Gewinn“ oder „Effizienz“. Was die Referenz auf „Nachhaltigkeit“ konkret bedeutet, ist nicht immer klar.

„Nachhaltig“ ist als Synonym für „dauerhaft“ bzw. „langfristig ausgerichtet“ zu finden, als alternativer Begriff für „Kreislauffähigkeit“ sowie als Umschreibung für verantwortungsvolles Wirtschaften, das die Folgen betrieblicher Entscheidungen auf Umwelt und Gesellschaft internalisiert. Gelegentlich wird auch auf das Brundtlandt-Konzept Bezug genommen, das auf intergenerationelle Solidarität abzielt.

Begriffliche Unschärfen

Die begriffliche Vagheit spiegelt konzeptionelle Schwächen wider. Sie beruhen darauf, dass der Nachhaltigkeitsansatz ein Amalgam ist, das gleichzeitig die Lösung moralischer, mikro- und makroökonomischer Probleme anstrebt. Allerdings wird möglichen Inkonsistenzen bzw. dem mangelnden Wissen darüber, wie diese Probleme zu lösen sind, nicht Rechnung getragen.

Darüber, was Makro-Ziele wie „soziale Gerechtigkeit“ und, davon abgeleitet, „Armutsverringerung“, „faire“ Löhne und „Solidarität“ konkret implizieren und welche betrieblichen Aktivitäten mit ihnen in Einklang stehen, besteht kein Konsens, und zwar weder wissenschaftlich und schon gar nicht politisch.

Selbst im ökologischen Bereich – der ursprünglichen Quelle des Nachhaltigkeitsansatzes – herrscht weniger Konsens als scheingenaue Ratings vermuten lassen. Paradebeispiel ist die Kernkraft, die in Österreich abgelehnt wird, aber in zahlreichen anderen Ländern selbst von umweltbewussten Energiepolitikern unterstützt wird.

Eine negative Folge der begrifflichen Unschärfen ist der Umstand, dass es z.T. große Divergenzen zwischen den ESG-Ratings der in diesem Bereich tätigen Agenturen gibt – und zwar sowohl dahingehend was gemessen wird als auch wie gemessen wird.[i]

Gefahr der Strukturkonservierung

Einige der Anforderungen, um sich in Nachhaltigkeitsrankings Punkte als „gutes“ Unternehmen zu sichern, spiegeln einen partialanalytischen Ansatz wider, der aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht haltbar ist. Unternehmen etwa, die auf einen Schlag eine größere Anzahl von Arbeitskräften abbauen, erhalten dafür in jedem Fall ein negatives Scoring.

Nun sind Unternehmen mit einer volatilen Beschäftigungspolitik nicht unbedingt gute Anlageziele, aber umgekehrt werden sich Werksschließungen und ein damit verbundener Arbeitskräfteabbau nie ausschließen lassen und sind oft für die längerfristige Sicherung des wettbewerbsfähigen Kerns eines Unternehmens unverzichtbar.

Auch die in kirchlichen Kriterienkatalogen gelegentlich enthaltene Forderung an Unternehmen „existenzsichernde“ Löhne zu bezahlen ist kurzsichtig. Eine großflächige Umsetzung dieser Politik hätte vermutlich zur Folge, dass sich in Europa abwanderungsgefährdete Niedriglohnbranchen länger als sinnvoll halten, was weder einer nachhaltigen noch wohlfahrtsschaffenden Wirtschaftsstruktur entspräche.

Nachhaltigkeit – ein statischer Gleichgewichtsansatz[ii]

Der Nachhaltigkeitsansatz weist große Parallelen zu einem neoklassischen Gleichgewichtsmodell des Wirtschaftsgeschehens auf, vor allem wenn von der „Kreislauffähigkeit“ die Rede ist. Gleichgewichtskonzepte werfen allerdings viele Fragen auf. Etwa die Frage, ob derartige Gleichgewichte überhaupt erreichbar sind, wie stabil sie sind und ob es nicht vielleicht mehrere Gleichgewichtszustände gibt, die sich nach Wohlfahrtskriterien unterscheiden.

Im Bereich der Makroökonomie ist es der Verdienst des Keynesianismus, die Möglichkeit stabiler Gleichgewichte mit unterausgelasteten Ressourcen aufgezeigt zu haben. Es ist ebenso wahrscheinlich, dass es mehrere „kreislauffähige“ Wirtschaftsmodelle gibt, die sich hinsichtlich ihrer Wohlfahrtseigenschaften unterscheiden. Dann ist es nicht nur eine technokratische, durch Rating-Systeme lösbare, sondern eine politische Frage, welches dieser Modelle angestrebt wird.

Nachhaltige Planwirtschaft?

Viele Kriterienkataloge, die in Hinblick auf nachhaltiges Wirtschaften erstellt werden, weisen mit ihren Fokus auf technische Relationen viele Schwächen planwirtschaftlicher Wirtschaftsteuerung auf (wie z.B. die 2020 in Kraft getretene „Green Taxonomy“ der EU )[iii]. Solche Kataloge sind in der Regel unflexibel, statisch und innovationshemmend, und tragen den trade-offs, die tatsächliche Investitionsentscheidungen prägen, wenig Rechnung. In der Regel werden bestehende und große Unternehmen gegenüber neuen, kleineren Wettbewerbern bevorzugt.[iv]

Fazit

Das Konzept des nachhaltigen Investierens greift berechtigte Anliegen auf. Gesellschaftliche Präferenzen, wirtschaftspolitische Prioritäten wie auch – davon abgeleitet – die Zuflüsse in Investmentfonds belegen, dass der Trend zu Nachhaltigkeit selbst nachhaltig ist. Tatsächlich gibt es massive externe Effekte, die nicht adäquat bepreist sind oder auf Basis regulatorischer Interventionen internalisiert werden.

Umso wichtiger ist es, Nachhaltigkeitskonzepte auf ein solides intellektuelles Fundament zu stellen. Selbst bei der herkömmlichen, „nachhaltigkeitslosen“ Investitionstheorie hat es Jahrzehnte gedauert – beginnend mit der Fundamentalanalyse nach Graham-Dodd über die Portfoliotheorie (Markowitz) bis zum Faktoransatz (Fama-French), um einige Meilensteine zu nennen – bis aus Ideen, Kritik und Anti-Kritik ein lehrbuchfähiges und gleichzeitig praktikables Denk- und Handlungsgerüst entstanden ist.

Im Falle des Nachhaltigkeitsansatzes wird dieser Prozess aufgrund der Komplexität der Problemstellung kaum kürzer sein – und vermutlich wie bei der traditionellen Investitionstheorie in verschiedenen Schulen münden.

 

[i] Berg, Florian, Kölbel, Julian and Rigobon, Roberto, Aggregate Confusion: The Divergence of ESG Ratings (May 17, 2020). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3438533
Gibson, Rajna, Krueger, Philipp and Schmidt, Peter Steffen, ESG Rating Disagreement and Stock Returns (December 22, 2019). Swiss Finance Institute Research Paper No. 19-67, European Corporate Governance Institute – Finance Working Paper No. 651/2020, Available at SSRN:
https://ssrn.com/abstract=3433728
Li, Feifei and Polychronopoulos, Ari What a Difference an ESG Ratings Provider Makes! (January 2020),
https://www.researchaffiliates.com/en_us/publications/articles/what-a-difference-an-esg-ratings-provider-makes.html

[ii] Siehe dazu auch Book, Joakim (March 18, 2019), The Nonsensical Meaning of Sustainability, https://notesonliberty.com/2019/03/18/the-nonsensical-meaning-of-sustainability/

[iii] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32020R0852

[iv] Zur Kritik der EU Taxonomy siehe z.B. Caldecott, Ben (Jun 14, 2019), ‚Encourages laziness and disincentives ambition‘: Ben Caldecott shares his thoughts on the EU’s green taxonomy, https://www.responsible-investor.com/articles/encourages-laziness-and-disincentives-ambition-ben-caldecott-shares-his-tho

 

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