Das Coronavirus hinterlässt seine Spuren auch in der Finanzmarktpolitik. Die US-Notenbank hat am Dienstag Fakten geschaffen: Die Federal Reserve senkte den Leitzins um 0,50 Prozentpunkte auf eine neue Zielbandbreite von 1,0 bis 1,25 Prozent.
Im Gegensatz zu anderen Notenbanken wie z.B. der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte sie sich mit den stufenweisen Zinsanhebungen in den letzten Jahren einen Puffer für Senkungen geschaffen.
Über die Hintergründe der US-Zinssenkung sprachen wir mit Erste Asset Management-Ökonom Gerhard Winzer.
Kam die Zinssenkung der amerikanischen Notenbank überraschend?
Nein. Dass die Leitzinsen prinzipiell gesenkt werden sollen, damit hat der Markt gerechnet. Bereits am vergangenen Freitag gab die Zentralbank ein Statement ab, wonach sie auf die Wirtschaftsrisiken, die vom Coronavirus ausgehen, geeignet reagieren würde.
Überraschend war das Ausmaß, nämlich gleich um einen halben Prozentpunkt und vor allem der Zeitpunkt. Denn der Zinsschritt erfolgte zwischen zwei regulär angesetzten Treffen des Offenmarktausschusses. Das nächste Treffen ist für den 18. März geplant.
Wie interpretieren Sie diesen Schritt? Werden sich weitere Notenbanken anschließen?
Der Zinsschritt der wichtigsten Zentralbank der Welt könnte Teil einer koordinierten Aktion der Zentralbanken in der entwickelten Welt sein. Bereits am selben Tag hatte in den frühen Morgenstunden die Zentralbank in Australien (RBA) den Leitzinssatz um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent gesenkt. Diese Lockerungen müssen in Ländern in denen die Zinsen bereits sehr niedrig sind, wie etwa in der Eurozone oder in Japan, nicht notwendigerweise Zinsschritte umfassen.
Geldpolitische Lockerungen können mit einer höheren Liquiditätsversorgung der Banken, höheren Anleihen-Ankaufsprogrammen oder der Steuerung der Markterwartungen geschehen. Die kanadische Zentralbank stimmte übrigens in das weltweite Konzert an Leitzinssenkungen mit ein und nahm am Mittwoch einen 0,5 Prozentpunkte Zinsschritt vor.
Welchen Zweck hat die Zinssenkung?
Die Zinssenkung ist jedenfalls geeignet, die Verschärfung des Finanzumfeldes (gefallene Aktienkurse, höhere Renditeaufschläge für das Kreditrisiko, höhere Volatilitäten) zu lindern.
Die Notenbank versucht, eine negative Rückkopplung von fallenden Aktienkursen auf das Wirtschaftswachstum einzudämmen. Zudem verlautbaren immer mehr Länder, dass sie mit Hilfe der Steuerpolitik und Stützungen die Konkursgefahr bei Unternehmen eindämmen wollen.
Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete ein Gesetz, wonach cirka 7 Milliarden Euro bereitgestellt werden, um die Auswirkungen des Virus auf die Wirtschaft abzufedern.
Hat sich der Ausblick der Erste Asset Management durch das Corona-Virus verändert?
Eine schnelle Erholung nach dem Einbruch des Wachstums im 1. Quartal wird immer unwahrscheinlicher. Für China ist die Rückkehr zum Wachstum im 2. Quartal wahrscheinlich.
Allerdings werden im Rest der Welt zwei Faktoren das Wachstum dämpfen: Die Störung in der globalen Wertschöpfungskette wird auch noch im 2. Quartal zu spüren sein. Und die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus außerhalb Chinas nehmen zu.
Wann kommt es nun zu der erwarteten Erholung?
Das Basisszenario der Erste Asset Management lautet: Erholung der Weltwirtschaft im 2. Halbjahr 2020. Für das 4. Quartal 2020 veranschlagen wir eine Wachstumsrate des globalen Bruttoinlandsproduktes von 2,5 Prozent (Wachstum im Quartalsabstand, auf das Jahr hochgerechnet). Die Wachstumsrisiken sind jedoch erheblich.
Zum Thema „Coronavirus und die Folgen für die Weltwirtschaft“ lesen Sie außerdem diese Analyse von Gerhard Winzer: https://blog.de.erste-am.com/das-coronavirus-und-die-folgen-fuer-die-weltwirtschaft/
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.