Ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind die ökonomischen Folgen weltweit zu spüren. International haben sich vor allem die nach Kriegsbeginn rasant gestiegenen Energiepreise in hohen Inflationsraten und damit auch gegensteuernden Zinserhöhungen niedergeschlagen.
So war der Preis für die Referenz-Ölsorte Brent nach rund 80 Dollar je Fass (159 Liter) zu Beginn 2022 knapp nach Kriegsbeginn auf zeitweise über 130 Dollar nach oben gerast. Auch das mittlerweile in Kraft getretene Öl-Embargo gegen Russland führte zu Sorgen um die Ölversorgung. Mittlerweile hat sich die Lage am Ölmarkt wieder entspannt, Brent notierte zuletzt bei rund 83 Dollar je Fass. Auch die Gaspreise zogen massiv an und schürten in Europa Ängste vor Versorgungsengpässen – insbesondere, da ein erheblicher Teil der Gaslieferungen aus Russland kommt.
Die Energiekrise lastete schwer auf vielen westeuropäischen Volkswirtschaften wie etwa Deutschland. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) erklärte im Dezember, verglichen mit den Konjunkturerwartungen vor Russlands Angriff auf die Ukraine reduziere sich die deutsche Wirtschaftsleistung allein 2022 und 2023 um 180 Mrd. Euro und werde „am Ende dieses Zeitraums“ um 4 Prozent niedriger sein, hieß es.
Inflationsraten haben sich nach Höhenflug leicht entspannt
Der Energiepreisschock aber auch die damit verbundenen Anstiege der Lebensmittelpreise schlugen sich auch in den Verbraucherpreisen massiv nieder. Die Inflation im Euroraum hat einen seit Einführung des Euro bis jetzt beispiellosen Aufwärtssprint hingelegt. Sie kletterte von 1,9 Prozent im Juni 2021 auf 10,6 Prozent im Oktober 2022, bevor sie sich danach wieder etwas auf zuletzt 8,5 Prozent im Jänner abschwächte. In Deutschland stieg die Inflation im Durchschnitt des Jahres 2022 auf 7,9 Prozent – der höchste Wert seit der Gründung der Bundesrepublik. Auch hier zeichnete sich zu Jahresende aber Entspannung ab.
Die Notenbanken haben mittlerweile schon mit mehreren Zinserhöhungen gegen die hohen Inflationsraten angekämpft. Die EZB hat zuletzt im Februar ihren Leitzins weiter um 0,50 Prozentpunkte auf nun 3,0 Prozent angehoben – die fünfte Zinserhöhung in Serie. Der massive Inflationsschub im Euroraum wird sich nach einer Studie der EZB auch auf die Staatsfinanzen mittelfristig niederschlagen. Angesichts kräftiger Zinserhöhungen in Reaktion auf den Teuerungsschub müssen sich Regierungen auf höhere Refinanzierungskosten einstellen, zugleich kommen angesichts der schwachen Konjunktur womöglich höhere Ausgaben auf sie zu, warnt die EZB.
Die Aktienbörsen haben die Ängste vor den ökonomischen Folgen des Ukraine-Kriegs mittlerweile gut verdaut. Nach starken Kursverlusten unmittelbar nach Kriegsbeginn und einem von Inflations- und Zinsängsten belasteten Börsenjahr haben sich viele Märkte wieder auf die Niveaus von vor dem Krieg erholt. So liegt der Euro-Stoxx-50 nach einem Minus von rund 11 Prozent im Vorjahr heuer seit Jahresstart schon knapp 13 Prozent im Plus.
Ukraine hofft nach verheerendem Wirtschaftseinbruch auf rasanten Neustart
Verheerend sind naturgemäß die wirtschaftlichen Schäden in der Ukraine selbst. Die Kyiv School of Economics schätzt den direkten materiellen Schaden in einer Studie von Ende Jänner mit insgesamt 138 Mrd. US-Dollar ein. Davon entfallen 54 Mrd. auf die 149.000 Wohnhäuser, die seit Kriegsbeginn zerstört oder beschädigt wurden, rund 36 Mrd. auf die öffentliche Infrastruktur und 13 Mrd. auf Unternehmensanlagen.
Die Wirtschaft in der Ukraine ist seit Februar im abgelaufenen Jahr so stark geschrumpft wie seit der Unabhängigkeit 1991 nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt ist nach einer offiziellen Schätzung noch deutlicher als erwartet um 30,4 Prozent gesunken. Stark gelitten hat der für die Ukraine wichtige Agrarsektor. Die für das Land bedeutende Metallindustrie hat mit der Zerstörung der Stahlwerke in der Hafenstadt Mariupol ebenfalls massiv an Produktionskapazität eingebüßt. Zudem leidet auch die Stahlbranche darunter, dass Russland die für die Exporte der Ukraine wichtigen Seehäfen blockiert.
Die Kreditratings des Landes litten stark unter dem Angriffskrieg in dem Land. Die Ratingagentur Moody’s hat etwa zuletzt ihre Kreditwürdigkeitseinstufung des Landes auf die Stufe „Ca“ gesenkt und sieht die Ukraine damit kurz vor einem Zahlungsausfall.
Die ukrainische Regierung hofft nach Kriegsende auf eine rasche Wirtschaftserholung und hat dafür bereits einen Wiederaufbauplan ausgearbeitet. Dieser „National Recovery Plan“ geht von Kosten in Höhe von 750 Mrd. US-Dollar aus, zwei Drittel davon sollen von ausländischen Geldgebern kommen. Mit Hilfe dieser Investition und einer Senkung der Steuern- und Abgabenquote soll die ukrainische Volkswirtschaft durchstarten und das BIP von gut 100 Mrd. Dollar im Jahr 2022 auf 500 Mrd. im Jahr 2032 verfünffachen. Auch von dem erhofften baldigen EU-Beitritt erhofft sich das Land einen rasanten Neustart.
Eine vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) gemeinsam mit dem GROWFORD Institut in Kiew durchgeführte Studie sieht diese Pläne als unrealistisch an, bescheinigt der Ukraine aber generell starkes Wachstumspotenzial. Die Studie geht davon aus, dass die intensivste Phase des Krieges bis Mitte 2023 dauern wird.
Die internationalen Geldgeber müssten laut der Studie rund 410 Mrd. Dollar zum Wiederaufbau beisteuern. „Die EU, die ein starkes Eigeninteresse an einer demokratischen und prosperierenden Ukraine hat und das Land ja auch zum Beitrittskandidaten gemacht hat, wird daher ihre Anstrengungen in diesem Bereich massiv verstärken müssen“, so der Co-Autor und stellvertretender Direktor des wiiw, Richard Grieveson. Die Studie empfiehlt zudem den Neustart der Wirtschaft für einen Strukturwandel zu nutzen. Statt in Schwerindustrie und Agrarwirtschaft sollte die Ukraine lieber in IT und Umwelttechnologien investieren – zwei Branchen, für die die Studienautoren in der Ukraine großes Potenzial sehen.
Russland steckt Sanktionen bisher besser weg als erwartet
Auch Russland leidet wirtschaftlich unter dem Krieg, und zwar insbesondere unter den schwerwiegenden Sanktionen, die westliche Länder gegen das Land verhängt hat. Laut der EBRD-Chefökonomin Beata Javorcik leiden vor allem jene Branchen, die auf importierte Vorprodukte angewiesen sind. Der anfangs erwartete heftige Wirtschaftseinbruch als Folge der Sanktionen ist jedenfalls bisher ausgeblieben. Die Sanktionen dürften noch etwas Zeit brauchen, um sich voll zu entfalten, erwarten Experten.
Im ersten Kriegsjahr 2022 ist Russlands Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent geschrumpft. Dabei hatten einige Experten aufgrund der westlichen Sanktionen mit einem Einbruch um mindestens zehn Prozent gerechnet. Der Zentralbank zufolge hat sich die heimische Wirtschaft, die schon seit Jahren mit Sanktionen leben muss, aber rasch an die neue Lage angepasst. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt für heuer ein Mini-Wachstum von 0,3 Prozent voraus und für 2024 ein Plus von 2,1 Prozent.
Russlands Inflationsrate lag im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 11,9 Prozent und damit um fast das Dreifache über dem von der Zentralbank angestrebten Ziel von vier Prozent. Die offizielle Arbeitslosenquote lag im Dezember auf dem Rekordtief bei 3,7 Prozent. Ein Mitgrund dürfte sein, dass hunderttausende russische Männer in erwerbsfähigem Alter seit Kriegsbeginn aus dem Land geflohen waren, um der Wehrpflicht zu entgehen. Hochrangige Regierungs- und Zentralbankvertreter haben bereits ihre Besorgnis über den Arbeitsmarkt geäußert.
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Gott sei Dank ziemlich neutraler Bericht eine Bank sollte sich aus der vor allem Weltpolitik raushalten sowie auch aus der Politik allgemein ausser es betrifft sie selber!