Mit dem Jahreswechsel ist auch ein schwieriges und verlustreiches Börsenjahr zu Ende gegangen. Nach zwei von der Corona-Pandemie geprägten Jahren stand 2022 ganz im Zeichen der Invasion Russlands in der Ukraine. An vielen Aktienmärkten gab es zweistellige Verluste. Der MSCI-Weltindex als Benchmark für die globale Börsenentwicklung gab im Jahresverlauf knapp 20 Prozent nach. Der US-Aktienindex Dow Jones und der japanische Nikkei verloren im Jahresverlauf jeweils rund 9 Prozent. Der Euro-Stoxx-50 kommt auf ein Jahresminus von gut 11 Prozent.
Mit dem Ukraine-Krieg verbunden waren rasante Öl- und Energiepreisanstiege die gemeinsam mit der Konjunkturerholung im Frühling zu einem Inflationsschub geführt haben. Zu Jahresbeginn 2022 lag der Preis für die Referenzölsorte Brent noch bei knapp 78 Dollar je Fass (159 Liter). Unmittelbar nach dem Beginn der Invasion schnellte der Brent-Preis auf über 100 Dollar nach oben und kratze im Jahresverlauf zeitweise an der Marke von 120 Dollar.
Nutznießer der Ölpreisanstiege waren naturgemäß die Aktien von Ölkonzernen. Aktien des US-Energiekonzerns Chevron waren mit einem Jahresgewinn von 53 Prozent 2022 die Spitzenreiter im Dow Jones. In London fanden sich die Aktien der Ölriesen BP und Shell mit Gewinnen von gut 40 Prozent ganz oben im FTSE. Gleichzeitig beschleunigte der Ukraine-Krieg und damit geschürte Ängste vor Energie-Engpässen in vielen Ländern den Trend zu nachhaltigen und erneuerbaren Energien, aber auch ein Umdenken in Sachen Kernkraft.
Zinswende beendet Ära des billigen Geldes
Mit den Preisanstiegen wurden auch die ohnedies schon kursierenden Ängste geschürt, dass die Notenbanken nach einer langen Phase rekordtiefer Zinsen mit Leitzinserhöhungen auf die hohen Inflationsraten reagieren. Die Ära des billigen Geldes dürfte vorerst vorbei sein. Die US-Notenbank Fed hat im abgelaufenen Jahr schon siebenmal ihre Zinsen erhöht und zuletzt weitere Zinsschritte signalisiert. Der Leitzins der Fed liegt nun in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Etwas behutsamer ging die EZB mit vier Zinserhöhungen vor.
Die Notenbanken stehen derzeit vor einer schwierigen Gratwanderung: Einerseits versuchen sie mit Zinserhöhungen die Preissteigerungen im Zaum halten. Damit sollen auch negative Auswirkungen auf die Verbraucherstimmung und damit die Konjunktur verhindert werden. Ein zu starkes Anziehen der Zinszügel würde sich aber negativ auf die ohnedies angeschlagene Konjunktur auswirken.
Stark unter Druck kamen mit der Zinswende im abgelaufenen Jahr viele Aktien aus der Technologiebranche. Tech-Unternehmen brauchen Geld für aufwendige Investitionen, die sich erst in der Zukunft rentieren und leiden daher besonders deutlich unter Zinsanstiegen. In den USA hat der technologielastige Nasdaq-Composite-Index im Jahresverlauf rund 33 Prozent verloren und schnitt damit deutlich schlechter ab als der Dow Jones.
Öl- und Gaspreise kommen wieder zurück
Auch im angelaufenen Jahr bleibt die Geldpolitik ein bestimmendes Thema. Die jüngsten Zahlen geben hier aber Grund für Hoffnung. So lag kam die Inflationsrate der Eurozone im November geringfügig zurück auf 10,1 Prozent, nachdem sie im Oktober mit 10,6 Prozent ein Rekordhoch markiert hatte. Auch in den USA dürfte die Inflation ihren Höhepunkt überschritten haben. Viele Ökonomen erwarten, dass die Notenbanken 2023 ihre Zinserhöhungs-Serien beenden.
Dafür spricht auch die jüngste Entwicklung der Energiepreise. Die Ölpreise kamen zuletzt deutlich zurück, der Brent-Preis pendelte zum Jahreswechsel um die 82 Dollar. Der europäische Gaspreis hat zum Jahresauftakt seine jüngste Talfahrt dank ungewöhnlich milder Wintertemperaturen fortgesetzt. Am Montag notierte der Terminkontrakt TTF für niederländisches Erdgas mit 70,30 Euro je Megawattstunde in den Handel. So günstig war Erdgas zuletzt knapp vor Beginn des Ukraine-Kriegs.
Wirtschaftsdaten lassen auf Erholung im angelaufenen Jahr hoffen
Jüngste Wirtschaftsdaten lassen ebenfalls auf ein gutes Jahr hoffen. Die US-Wirtschaft ist etwa im dritten Quartal 2022 schneller gewachsen als bisher angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte auf das Jahr hochgerechnet um 3,2 Prozent zu. Gute Wirtschaftsdaten werden allerdings derzeit an den Märkten ambivalent aufgenommen, da sie auch den Weg für weitere Zinsschritte frei machen.
In der Eurozone ist das BIP im dritten Quartal um 0,3 Prozent zum Vorquartal gewachsen. Viele Expert:innen erwarten für den Winter eine zeitweise Rezession. Jüngste Umfragen deuten aber darauf hin, dass diese milder ausfallen könnte als ursprünglich angenommen. Der von S&P-Global ermittelte Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft legte zuletzt um einen vollen Zähler auf 48,8 Punkte zu und nähert sich damit wieder Marke von 50 Punkten, ab der ein Wirtschafswachstum signalisiert wird. Einige Ökonom:innen wollen eine positive Überraschung im neuen Jahr daher nicht ausschließen.
Weiter aufmerksam beobachtet wird auf den Märkten im neuen Jahr auch die Corona-Pandemie. Die Corona-Sorgen an den Börsen sind zum Jahreswechsel angesichts der jüngsten Entwicklungen in China wieder zurück. Nachdem Chinas Regierung überraschend von ihrer strikten Null-Corona-Politik abgerückt ist und die entsprechend strengen Restriktionen aufgehoben hat, steigen auch die Corona-Fallzahlen in dem Land wieder stark an.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.