Die Volatilität von Anleihen ist signifikant angestiegen und hat sich seit März 2022 von der stabilen Volatilität von Aktien entkoppelt. Tatsächlich war das Verhältnis aus beiden seit 2003 nie so groß. Was ist die Ursache für diese Entkoppelung. Wird sie von Dauer sein?
Die außergewöhnliche Volatilität von Anleihen macht intuitiv Sinn, weil sie mit den Inflationszahlen zusammenhängt. Die Teuerung war in diesem Zeitraum nur begrenzt prognostizierbar. Die Gegenmaßnahmen der Notenbanken entsprachen nicht immer den Erwartungen des Marktes. Zusätzlich hat der Vorfall rund um die Silicon Valley Bank im März 2023 die Zinserwartungen massiv verändert und einen Extremwert der Volatilität hervorgerufen.
Die Volatilität von Aktien verharrt am moderaten, unteren Ende ihrer Bandbreite und entspricht nicht dem, was man einem als unsicher empfundenen Umfeld beimessen würde.
Ein Grund für die derzeitige Stabilität von Aktien ist in den Gewinnspannen und der Gewinnsituation insgesamt zu finden. In den USA haben sich die Gewinnmargen von ihrem Höchstwert (13,1%) am Ende der COVID-Pandemie zwar deutlich entfernt, trotzdem befinden sie sich mit 10,0% im langjährigen Aufwärtstrend und bleiben hoch. Hohe Unternehmensgewinne dämpfen die Volatilität. Auch die Werte für Europa zeigen keinerlei Einbruch.
Zusätzlich hat die letzte Berichtssaison der Unternehmensgewinne in den USA erstmals seit ca. 1,5 Jahren einen Sprung der positiven Überraschungen gezeigt. Spiegelbildlich gingen die negativen Überraschungen zurück. Zwar wurden im Vorfeld die Erwartungen bereits zurückgenommen, trotzdem ergibt sich daraus kein Grund für einen Anstieg der Volatilität.
Mittelfristig könnte eine Verringerung der Gewinnmargen bevorstehen. Die US-Notenbank versucht Druck aus dem leergeräumten Arbeitsmarkt zu nehmen. Kündigungen in einem größeren Maßstab finden nur dann statt, wenn sich die Gewinnsituation der Unternehmen eintrübt. Die Unternehmensgewinne sind zwar keine direkte Stellschraube der Fed, ihre Verringerung würde aber in Kauf genommen werden.
Das bedeutendste Risiko für die Aktienmärkte liegt in einer spürbaren Rezession in den USA. Rezessionen wurden in der Vergangenheit zwar prognostiziert, ihr Eintrittszeitpunkt und ihr Ausmaß war und ist im Vorfeld aus den volkswirtschaftlichen Daten nicht ablesbar. Zwei Teilorganisationen der US-Notenbank, die Cleveland Fed und die NY Fed, berechnen Wahrscheinlichkeitsmodelle aus der Struktur der US-Zinskurve. Deren Umkehrung war regelmäßig Vorbote einer Rezession: man erhält in dieser Situation für eine kurze Veranlagung mehr Zinsen als für eine langfristige, was eine ausgeprägte Unsicherheit dokumentiert (sogenannte inverse Zinskurve).
Das Ergebnis liegt mit 79,3% bzw. 70,9% am höchsten seit 1990, berechnet auf das 2. Quartal 2024. Zugleich gilt es zu beachten, dass dieses Modell ein mechanistisches ist. Es trägt der Situation möglicherweise nicht gänzlich Rechnung. Gemeint ist die Pandemie-Vorgeschichte, in der die Gesamtwirtschaft bewusst heruntergefahren wurde. Damit verbundene sind eine massive Verschiebung der Nachfrage von Dienstleistungen zu Gütern, staatliche Transferzahlungen und globale Logistikengpässe. Diese Faktoren sind in der Kombination bisher nicht aufgetreten.
Weichen auf Rezession?
Auch der oft zitierte Conference Board Frühindikator hat die Weichen auf eine Rezession gestellt. Interessant ist hier, dass parallel ein Indikator für den Ist-Zustand der Wirtschaft berechnet wird, der sich unauffällig präsentiert. Das bedeutet: ein stabiles Bild der US-Wirtschaft heute – und damit einhergehend eine geringe Aktien-Volatilität – aber potenziell Probleme in der Zukunft.
Ein verbleibender Grund für die niedrige Volatilität von Aktien ist die Positionierung des Marktes, gemessen an der Zahl spekulativer Futures-Positionen. Diese Zahl ist weiterhin niedrig. Ihr Verlauf ist vergleichbar mit dem unter Druck stehenden Industrie PMI Index. Nun ist es für einen skeptischen Markt leichter, unerfreuliche Nachrichten zu verarbeiten, weil vieles bereits eingepreist ist. Zusätzlich ist das Ausmaß, in dem der Markt jetzt noch weiter „short“ werden könnte, in gewisser Weise limitiert.
Stress-Indikatoren
Welche Indikatoren kann man verfolgen, um Stress im Markt zu erkennen? Wir bieten drei an:
- das Kurs-Verhältnis aus defensiven und zyklischen Aktiensektoren
- der Dollar-Index, der in einem Stress-Umfeld häufig an Stärke gewinnt
- der BBB-„Spread“ als Maßzahl für das Kreditrisiko.
Der abschließende Chart zeigt diese Indikatoren (Werte für die USA). Ihr Verlauf zeigt ein Bild, das sich rasch verändert. Aktuell ist es leicht positiv: Zyklische Aktiensektoren haben die defensiven Werte übertroffen, der Dollar-Index verläuft seitwärts und der BBB-Spread der Unernehmensanleihen ist stabil oder sogar leicht rückläufig.
Fazit
Die vergleichsweise geringe Volatilität von Aktien ist gut argumentierbar. Die Volatilität von Anleihen wird hoch bleiben: Zwar ist die Inflation rückläufig. Die Datenlage kann jederzeit Überraschungen bereithalten.
Erläuterungen zu Fachausdrücken finden Sie in unserem Fonds-ABC.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.