Das Risiko einer Eskalation des geopolitischen Konflikts zwischen Russland, der Ukraine und der NATO ist in den vergangenen Tagen weiter angestiegen.
Mittlerweile hat der Konflikt die Leitzinsanhebungserwartungen als dominierenden Faktor für die Kursbewegungen abgelöst. Die Risikoprämien sind angestiegen, zu sehen an den Kursverlusten bei Risk Assets wie Aktien, der Abschwächung des russischen Rubel und den angestiegenen Renditeaufschlägen für russische Staatsanleihen in US-Dollar.
Motivation der Konfliktparteien
Die Motivation der Parteien wird nicht versteckt, sondern klar und glaubwürdig kommuniziert. Im Prinzip geht es darum, dass Russland die Ukraine in seiner Einflusssphäre behalten möchte. Jedenfalls soll die Ukraine nicht Mitglied der NATO werden, auch nicht langfristig.
Offensichtlich möchte Russland die mit der Erweiterung der NATO um einige osteuropäische Staaten geschrumpfte Pufferzone zwischen sich und der NATO aufrechterhalten. Immerhin grenzen bereits fünf NATO-Mitglieder an Russland (Estland, Lettland, Litauen, Polen und Norwegen).
Würde die Ukraine wegfallen, bliebe nur noch Belarus übrig. Die Ukraine wiederum spricht sich für eine Annäherung an die NATO aus. Nach der Vereinnahmung der Krim-Halbinsel und dem schwelenden Konflikt in der Ostukraine ist der Wunsch wohl noch größer geworden.
Auch die Haltung des Westens ist klar. Ein souveräner Staat soll selbst über den geopolitischen Status entscheiden (Bündnis, bündnisfrei, neutral).
Glaubwürdige Drohung
Die Fronten sind verhärtet. Generell können Ziele eher erreicht werden, wenn eine glaubwürdige Kompetenz vermittelt wird. Russland hat Berichten zufolge 130,000 Mann stationiert.
Die Fähigkeiten gehen jedoch darüber hinaus. Das Schlagwort lautet „Hybrid Warfare“. Der Konflikt kann auf vielen Ebenen ausgetragen werden (Cyberspace, Anschläge, Desinformation). Die Ukraine scheint wenig zu besitzen, um glaubwürdig die eigene Position zu stärken. Der Westen hat mit scharfen und schwerwiegenden nicht-militärischen Konsequenzen gedroht.
Öffentliche Meinung
Ob die Drohgebärden auch in Taten umgesetzt werden und in welcher Form, hängt auch stark von der öffentlichen Meinung ab. Berichten zufolge lehnt die Mehrheit der Bevölkerungen von Russland, der Ukraine als auch des Westens eine Eskalation ab.
Eine wesentliche Frage ist, welcher Staat dennoch leichter eine Eskalation (Russland mit Invasion, der Westen mit Sanktionen) forcieren kann. Hier liegt ein autoritärer Staat im Vorteil.
Transparente Abwägung
Im Prinzip geht es also jetzt darum, ob für Russland die Vorteile einer Pufferzone die Nachteile von (vielleicht nicht ganz so schlimmen und vorübergehenden) Sanktionen überwiegen. Der Westen müsste sehr umfangreiche Sanktionen signalisieren, um nur irgendwie glaubwürdig die eigene Position zu untermauern.
Das geschieht sicherlich in den diversen diplomatischen Treffen. Für beide Seiten (Russland und NATO) sind die Drohgebärden glaubwürdig, vielleicht wiegen jene von Russland um ein kleines Stück mehr.
Kritisch ist, dass beiden Seiten (Russland und der NATO) die jeweiligen Kosten (hoch auf beiden Seiten) und der Nutzen (Pufferzone vs. Souveränität) klar sein dürften. Diese Transparenz erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Verhandlungslösung.
Schlussendlich müssten alle drei Parteien – also auch die Ukraine – diese Einschätzung teilen. Der Druck von beiden Seiten (Russland und NATO) auf die Ukraine dürfte aktuell sehr groß sein, selbst so etwas wie eine Bündnisfreiheit (ohne Bedingungen) vorzuschlagen.
Ölpreisschock und fallende Aktien
Die Situation ist ähnlich einem Pokerspiel. Die Signale müssen glaubwürdig sein. Das wird auch in den fallenden Kursen von Risk Assets aufgrund der angestiegenen Wahrscheinlichkeit einer Eskalation in der Ukraine reflektiert.
Bleibt zu hoffen, dass es schlussendlich zu einer Verhandlungslösung kommt. In der Zwischenzeit steht (auch) die Entwicklung des Ölpreises im Zentrum der treibenden Faktoren.
Mittlerweile ist der Preis für ein Fass Rohöl (Brent) auf beinahe US-Dollar 94 geklettert. In der Vergangenheit waren Ölpreisschocks (schnelle und starke Preisanstiege) bereits mehrmals dafür (mit-)verantwortlich, eine Rezession ausgelöst zu haben.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.