Interview mit Axel Hein, Meeresexperte beim WWF Österreich
Herr Hein, Woher kommt der Plastikmüll in den Meeren, welche Flüsse sind die wichtigsten Eintragsquellen?
Hein: Zu den bedeutendsten Ursachen für den Eintrag von Plastikmüll in die Meere gehören die massenhafte Verbreitung von Einwegplastik und die fehlenden Strukturen zum Sammeln und zur weiteren Verarbeitung von Abfällen. In Schwellen- und Entwicklungsländern werden deutlich weniger als 50 Prozent der Abfälle eingesammelt. Das hat zur Folge, dass sich der Müll an Land türmt und vor allem in Südostasien massenhaft, vor allem über Flüsse (wie Yangtse, Ganges, Irrawaddy, Mekong, etc.) ins Meer gespült wird.
Wieso wird Plastik nur zu einem kleinen Teil recycled bzw. wie können Verpackungen recyclinggerechter gestaltet werden?
Hein: Grund dafür ist vor allem, dass die Müllsammlung, Entsorgung und das Recycling oft aufgrund fehlender Mittel nicht öffentlich finanziert werden kann und sich auch Unternehmen nicht an der Finanzierung beteiligen. Ein Großteil der Menschen in betroffenen Ländern kann seinen Abfall also nicht vernünftig entsorgen, es fehlt schlicht an der Infrastruktur dafür.
Um die weltweite Plastikflut zu stoppen braucht es eine weltweite Bewegung, die Politik und Wirtschaft auffordert, Teil der Lösung zu werden. Es braucht bessere
Hein: Verpackungen und weniger unnützes Plastik. Es braucht Regeln für besseres Abfallmanagement und wirksame Maßnahmen, die Meere und Küsten zu schützen.
Der Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft wird in diesem Zusammenhang als wichtig betrachtet: wie realistisch ist diese umsetzbar bzw. können Zertifizierungen helfen?

Axel Hein, Meeresexperte beim WWF Österreich (c) bright light photography
Hein: Weltweit muss dafür gesorgt werden, dass alle Abfälle, sofern diese nicht von vornherein vermieden werden können, vollständig eingesammelt und in einer Kreislaufwirtschaft weiter verwertet werden. Doch ein funktionierendes Abfallmanagement und die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft müssten erst einmal aufgebaut werden. Dies scheitert meist an einer unzureichenden Finanzierung für die notwendigen Investitionen sowie für die laufenden Kosten.
In vielen Ländern Europas müssen sich mittlerweile die Konsumgüterwirtschaft und der Handel an den Entsorgungskosten für Verpackungen beteiligen. Daher muss die Wirtschaft auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern Verantwortung für die in Verkehr gebrachten Produkte und Verpackungen übernehmen und sich an den verursachten Entsorgungskosten beteiligen.
Wie können Verbraucher/Verbraucherinnen dazu beitragen Plastikmüll zu reduzieren?
Hein: Verbraucherinnen und Verbraucher können einiges dazu beitragen, ihren Plastikmüll zu reduzieren:
- sie können auf Einwegplastik beim Einkaufwie z.B. Einweg-Kaffeebecher, Getränkeflaschen, Strohhalme, etc. verzichten
- wo möglich das Angebot verpackungsfreier Läden nutzen oder unverpackte Ware auf dem Markt einkaufen
- im Urlaub in anderen Ländern so weit wie möglich Einwegtaschen und Einweggeschirr vermeiden
- eine Kreislaufwirtschaft unterstützen und seinen Müll richtig trennen.
- sich an Aufräumaktionen der Gemeinden beteiligen, die häufig angeboten werden – Plastikmüll am Ufer von Bächen und Flüssen kann auch irgendwann in Meere eingetragen werden
Welche Meinung hat der WWF zum Thema „Biokunststoffe“- können diese zu einer Entlastung beitragen bzw. gibt es auch Risiken?
Hein: Eine mögliche Lösung des Meeresmüllproblems besteht darin, die Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu verbessern oder die Verwendung von biologisch abbaubaren Kunststoffen für spezielle Anwendungen (Hygieneprodukte, Cateringgeschirr) zu prüfen. Im Spektrum der sogenannten Biokunststoffe gibt es einige wenige Materialien, bei denen ein biologischer Abbau im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen in relativ kurzen Zeiträumen möglich ist. Dieser Ansatz ist aber nicht unumstritten.
Befürchtet wird, dass damit die Wegwerfmentalität unterstützt wird. Außerdem ist noch nicht wissenschaftlich gesichert, ob diese Kunststoffe unter Bedingungen, wie sie im Meer herrschen, tatsächlich abgebaut werden. Dem Konzept „Cradle to Cradle“ folgend kann es durchaus sinnvoll sein, zwei strikt voneinander getrennte Kreisläufe zu schaffen: einerseits aus Material, das in der Technosphäre verbleibt (Recycling) und andererseits aus Material, das in der Biosphäre verbleibt (Nutzung und anschließende Kompostierung und Zersetzung).
Die EU-Kommission plant ein Verbot für zehn Plastik-Einwegprodukte, die 70% aller Abfälle im Meer verursachen. Darunter fallen Wattestäbchen, Plastik-Besteck u. –Teller, Trinkhalme etc. Wie zweckdienlich ist dieses Verbot, nach Ansicht des WWF bzw. welche Schritte wären noch notwendig?
Hein: Diese EU-Richtlinie ist ein notwendiger Schritt, der sich speziell auf die im Meer am häufigsten gefundenen Plastikprodukte bezieht. Wegwerfplastik direkt zu adressieren ist wichtig, die EU nimmt mit dem Fokus auf Einwegartikeln aus der Gastronomie aber nur die Spitze des Eisbergs ins Visier. Europaweit müssen deutlich klarere Signale in Richtung genereller Vermeidung von Plastikmüll und Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. Es braucht klare Vorgaben, um die Recyclingfähigkeit von Lebensmittelverpackungen zu verbessern und vermehrt aus recyceltem Material zu produzieren.
Erfreulich sind aus Sicht des WWF die konkreten Vorgaben für Einwegflaschen: diese müssen bis 2025 zu 90 Prozent wieder eingesammelt und recyclet werden Auch der Ansatz, die Hersteller von Einwegbechern aus Plastik oder Filterzigaretten finanziell zur Entsorgung ihrer Produkte und zur Reinigung der Strände zu verpflichten, ist richtig.
Plastikverschmutzung ist ein globales Problem, auf das wir eine globale Antwort finden müssen. Wir brauchen ein „Paris-Abkommen für den Ozean“, das die Verschmutzung der Weltmeere stoppt. Die EU-Mitgliedsländer müssen den entsprechenden Prozess der UNEA unterstützen.