Zusammenfassend: Die wirtschaftliche Erholung in den entwickelten Volkswirtschaften wird von den sehr expansiven Geldpolitiken, einem geringeren Spardruck auf der staatlichen Seite und bei den Banken sowie dem gesunkenen Ölpreis unterstützt. Das Wachstum bleibt dennoch bescheiden. In den Schwellenländern gibt es bestenfalls Anzeichen für eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Die Risiken für die Märkte stammen von einem möglichen Konkurs in Griechenland, zu kräftigen Leitzinsanhebungen in den USA, einem weiteren Rückgang der Produktivität sowie einer weiteren wirtschaftlichen Abschwächung in den Schwellenländern.
Wie sieht das im Detail aus?
High Noon mit Griechenland
Das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland läuft Ende Juni aus. Die neue Regierung in Griechenland hat von Anfang an die Bedingungen des Programms nicht akzeptiert. Sie setzt darauf, dass die Gläubiger ein neues Programm mit günstigeren Bedingungen für Griechenland annehmen. Es ist rational seitens der Institutionen und seitens Griechenlands zu einer Einigung zu kommen. Auf dem Spiel stehen ein massiver Wohlstandsverlust und Chaos in Griechenland sowie Überwälzungseffekte und eine Erhöhung des Desintegrationsrisikos in der Eurozone. Ein Kompromiss zwischen Austerität und Schuldenschnitt auf der einen Seite und Reformen auf der anderen Seite ist möglich, wenn beide Seiten guten Willens sind.
Dennoch sollte mittlerweile ein immer realistisch werdender Konkurs mit anschließendem Austritt aus der Eurozone niemanden mehr überraschen. Die Instrumente der Zentralbank – im Notfall unbeschränkte Bereitstellung von Liquidität für ein Land und das Anleiheankaufsprogramm – beschränkten mögliche Überwälzungseffekte auf Aktien und Staatsanleihen. Nichtsdestotrotz: Im Fall eines Konkurses sind temporäre Kursverluste bei risikobehafteten Wertpapierklassen wahrscheinlich. In Griechenland würden Kapitalkontrollen und die Einfrierung der Sparguthaben umgesetzt werden. Die griechische Regierung würde anfangs die Staatsausgaben wohl mit der Ausgabe von (wertlosen) Gutscheinen bestreiten. In diesem Szenario sind Neuwahlen realistisch. Zudem gilt: Selbst im Fall einer Einigung in letzter Minute ist eine nachhaltige Lösung unwahrscheinlich. Nach der Krise ist vor der Krise. Hier wird eine der Schwächen der Eurozone sichtbar: Es mangelt an den notwendigen Institutionen, die eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik ermöglichen. Die Länder der Eurozone sind offensichtlich nicht unwiderruflich miteinander verbunden.
Vom Trend zur Volatilität
Einige wichtige Trends haben in der ersten Jahreshälfte aufgehört und sind erhöhten Kursschwankungen gewichen. Die Renditen von Anleihen und der Ölpreis sind nicht weiter gesunken, der US-Dollar und die Aktienkurse sind nicht weiter angestiegen. Wie geht es weiter?
Schwaches Wachstum
Nach einem schwachen ersten Quartal zeichnet sich für das zweite Quartal ein etwas höheres reales Wachstum des realen globalen Bruttoinlandsproduktes ab. Das kann vor allem auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Aktivität in den USA zurückgeführt werden, nachdem sie im ersten Quartal leicht geschrumpft war. Insgesamt bleibt das globale Wachstum aber bescheiden. Denn das Wachstum der Industrieproduktion, der Einzelhandelsumsätze, der Exporte und der Unternehmensinvestitionen bleibt auf globaler Ebene bescheiden. Insbesondere in den Schwellenländern deutet eine Reihe von Frühindikatoren auf ein anhaltend schwaches Wachstum hin.
Boom in der Eurozone
Auch wenn es sich nicht so anfühlt: Technisch betrachtet befindet sich die Eurozone in einer Boomphase. Gegenüber dem Vorquartal und auf das Jahr hochgerechnet ist die Eurozone um 1,5% gewachsen. Für das aktuelle Quartal zeichnet sich ein Wachstum von 2% ab. Das wäre ein voller Prozentpunkt über dem geschätzten langfristigen Durchschnittswachstum.
Verbesserung am Arbeitsmarkt
In diesem Umfeld hat sich das Beschäftigungswachstum in einigen entwickelten Volkswirtschaften verbessert. Das impliziert eine Verschlechterung der Arbeitsproduktivität, also der Beziehung von Produktion und Beschäftigung. Im Einklang damit ist die Lohninflation in den USA und im UK etwas angestiegen.
Marktkorrektur
Die Renditeanstiege oder, besser gesagt: Kursverluste, von vielen Staatsanleihen zwischen Ende April und Anfang Juni haben viele Investoren verunsichert. Generell gilt: Je ausgereizter das Bewertungsniveau, umso anfälliger eine Wertpapierklasse für eine Korrektur. Die gefallene Liquidität am Staatsanleihenmarkt in der Eurozone verstärkt diese Charakteristik.
Erstens: In Deutschland betrug die reale Rendite, also die nominelle Rendite minus eingepreiste Inflation, mit einer Laufzeit von zehn Jahren Mitte April minus 1,37%. Gleichzeitig haben die Wirtschaftsdaten immer mehr auf eine zyklische Erholung in der Eurozone gedeutet. Im Einklang damit ist die reale Rendite angestiegen (auf minus -0,30% Anfang Juni). Die Erholung in der Eurozone ist jedoch nicht selbst tragend. Eine Voraussetzung dafür sind tiefe Zins- und Renditeniveaus. Anhaltend negative reale Renditen in der Eurozone sind bis auf weiteres realistisch. Für einen Anstieg in Richtung des langfristigen fairen Niveaus von rund plus 1% ist es zu früh. Dafür sorgt die Europäische Zentralbank mit der Indikation die Leitzinsen auf absehbare Zeit bei null Prozent – der Einlagenzinssatz ist sogar negativ – zu halten sowie mit dem Anleiheankaufsprogramm.
Zweitens: Der Renditeunterschied zwischen den Staatsanleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit in den USA und in Deutschland hat mit 1,9 Prozentpunkten den höchsten Wert seit 1989 erreicht. Gleichzeitig sind die Erwartungen für Leitzinsanhebungen in den USA gefallen. Die Fed signalisiert, dass sie die Leitzinsen anheben möchte aber dabei sehr vorsichtig vorgehen wird. Beim Zinsanhebungszyklus wird es sich nicht um einen „Lift-off“ sondern um ein „Crawling“ handeln. Die Attraktivität von US-Staatsanleihen ist damit im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen angestiegen.
Drittens: Der Renditeunterschied zwischen den Staatsanleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit in Japan und Deutschland wurde im Februar zum ersten Mal negativ und hat im April minus 0,24 Prozentpunkte erreicht. Die Attraktivität von deutschen Bundesanleihen ist damit im Vergleich zu japanischen Staatsanleihen gefallen.
Die Renditeanstiege sind also vor allem technischer Natur. Das wirtschaftliche Umfeld spricht für anhaltend tiefe Renditeniveaus. Übrig bleibt, dass sich die Investoren an größere Kursschwankungen gewöhnen müssen, weil die Bewertungen ausgereizt, sprich: teuer, bleiben.
Ölpreis zu hoch?
Es wird weiterhin deutlich mehr Öl produziert als nachgefragt. Der Differenz verschwindet in einem massiven Lageraufbau. Sobald die Lager voll sind, wird der Ölpreis unter Druck kommen, wenn die Nachfrage nicht anspringt oder die Produktion zurückgefahren wird.
US-Festigung zu Ende
Der Hauptgrund für die deutliche Festigung des US-Dollar gegenüber vielen Währungen im 2. Halbjahr 2014 war die Erwartung von deutlichen Leitzinsanhebungen in den USA. Diese Erwartungen sind jedoch gesunken. Seit März befindet sich der US-Dollar in einer Konsolidierungsphase.
Schlussfolgerung.
Die wirtschaftliche Erholung in den entwickelten Volkswirtschaften wird von den sehr expansiven Geldpolitiken, einem geringeren Spardruck auf der staatlichen Seite und bei den Banken sowie dem gesunkenen Ölpreis unterstützt. Das Wachstum bleibt dennoch bescheiden. In den Schwellenländern gibt es bestenfalls Anzeichen für eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Die Risiken für die Märkte stammen von einem möglichen Konkurs in Griechenland, zu kräftigen Leitzinsanhebungen in den USA, einem weiteren Rückgang der Produktivität sowie einer weiteren wirtschaftlichen Abschwächung in den Schwellenländern.