Alkohol genießt eine Sonderstellung. Keine andere Droge genießt eine solche gesellschaftliche Akzeptanz. Dies drückt sich auch in einer rechtlichen Sonderstellung aus: Während Cannabis – ein Markt, dessen legale Seite laut Schätzungen von 9,5 Milliarden USD in 2017 auf 32 Milliarden 2020 anwachsen soll – überhaupt nur in einer kleinen Zahl an Staaten legal ist, unterliegt Tabak weltweit immer strengeren Regulativen. Verglichen mit beiden können Alkoholproduzenten sehr frei ihren Geschäften nachgehen.
Diese Freiheit versucht die Industrie mit allen Mitteln zu verteidigen. Immerhin wird der globale Markt für alkoholische Getränke auf derzeit jährlich rund 1,4 Trillionen USD geschätzt. Ein wichtiger Schritt der Unternehmen ist, aktiv dazu beitragen, die potentiellen negativen Folgen des übermäßigen Alkoholkonsums anzusprechen und abzufedern. Die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Branche dienen hier aber nicht (nur) dazu, sozialen Impact zu generieren, sondern sollen vor allem staatlichen Regulativen zuvorzukommen. Sollte Alkohol eine ähnliche Ächtung wie die Tabakbranche erfahren, deren License-to-Operate kontinuierlich eingeschränkt wird, hätte dies immense finanzielle Auswirkungen. Vermeintliche kurzfristige zusätzliche Absatzchancen, und deren Konsequenzen, wie z.B. das „Komasaufen“ unter Jugendlichen, gefährden so tatsächlich das Geschäftsmodell der Alkoholindustrie.
Die Branche versucht dem mit Selbstverpflichtungen und Industrieinitiativen zu begegnen. Heineken hat etwa eine internationale Kommunikationskampagne gestartet, die gerade jungen Menschen übermäßigen Alkoholkonsum negativ präsentiert und zu Moderation aufruft.
Pernod Ricard wiederum geht auf das Suchtpotential von Alkohol und den damit verbundenen möglichen Kontrollverlust mit einer App, die Konsumenten erlaubt, ihren Alkoholkonsum mitzuverfolgen und sie basierend auf ihren körperlichen Parametern vor etwaigem Risikoverhalten warnt.
Diageo wiederum hat sich als einer der einzigen Produzenten dazu verpflichtet, unabhängig von regulatorischen Vorschriften, alle seine Produkte mit Warnhinweisen vor übermäßigem Konsum oder etwa für schwangere Frauen zu versehen.
International Alliance for Responsible Drinking
Fast alle großen Produzenten, wie die oben genannten aber auch ABInbev oder Asahi haben sich zur International Alliance for Responsible Drinking zusammengeschlossen. Das Ziel dieser Allianz ist, gemeinsame Standards für verantwortungsvolles Marketing zu entwickeln und Schulungen für den verantwortungsvollen Verkauf und die Bewirtung mit Alkohol anzubieten. Etwa um das Alter und die Alkoholisierung von Konsumenten zu erkennen. So verpflichtet man sich beispielsweise, auf Cross-Promotion an Kinder und Jugendliche zu verzichten. Ebenso streichen immer mehr der Unternehmen auf Verkaufszahlen basierende Performance-Ziele aus den Verträgen mit ihren Marketingagenturen.
Auch wird kritisches Konsumverhalten direkt angesprochen. Diageo hat in den USA für eine seiner Whiskey-Marken eine Kampagne gestartet, um den hohen Alkoholkonsum bei Sportveranstaltungen einzudämmen. Kunden werden aufgefordert, ebenso wie ihre Helden am Spielfeld regelmäßig Wasserpausen einzulegen (statt nur Alkohol zu trinken). Im Rahmen dieser Kampagne bietet das Unternehmen auch Shuttle-Dienste an, um Konsumenten von Sportveranstaltungen nach Hause zu bringen statt sie alkoholisiert ans eigene Steuer zu lassen.
Dieses positive Beispiel unterstreicht aber auch eine Schwäche: Viele der von den Unternehmen präsentierten Anstrengungen sind von Natur aus anekdotisch. Umfassende Lösungen über solche Kommunikation hinaus stehen häufig noch im Hintergrund. Diese Ambivalenz zeigt sich auch am Beispiel der Brauerei ABInbev. Das Unternehmen arbeitet aktiv daran, sein Portfolio umzustellen um bis 2025 ein Fünftel seines Umsatzes mit alkoholfreiem Bier zu erzielen und hat sich verpflichtet, eine Milliarde USD in die Bekämpfung von Alkoholismus zu investieren. Gleichzeitig stehen seine Aktivitäten in Afrika teils in der Kritik – denn dort zählt, wie für fast alle Unternehmen in den Schwellenländern, weiter nur die Erschließung von Märkten.
Den gesamten ESG* Letter finden Sie hier.
*ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ – zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Das sind die drei groben Kategorien, nach denen Unternehmen beim nachhaltigen Investieren geprüft werden.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.