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Der Ukraine-Konflikt – Eine Zwischenbilanz in zehn Punkten

Der Ukraine-Konflikt – Eine Zwischenbilanz in zehn Punkten
Der Ukraine-Konflikt – Eine Zwischenbilanz in zehn Punkten
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Im Zuge des aktuellen Waffenstillstands hat sich der Ukraine-Konflikt beruhigt, ohne dass sich deshalb schon eine wirkliche Lösung abzeichnet. Die Unsicherheit bleibt hoch, sowohl was die nächsten Schritte der Konfliktparteien betrifft, als auch bezüglich der längerfristigen Krisenfolgen.

Dennoch bietet das Ende der sechsmonatigen, durch gewaltsame Konfrontation gekennzeichnete Eskalationsphase Anlass aus Investorensicht Zwischenbilanz zu ziehen. Sie fällt nüchtern aus.

1.Russlands Wirtschaft stagniert.

Russland Makro-IndikatorenDie Wachstumsschwäche Russlands, seit 2013 sichtbar, hat sich im Zuge der Krise beschleunigt. Seit Jahresbeginn ist die Konsensprognose für 2014 von 2,4% BIP-Wachstum auf magere 0,25% gesunken, jene für 2015 wurde auf 1% gekürzt.

Die aktuellen Wirtschaftsindikatoren – Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze – waren in den ersten acht Monaten des Jahres teilweise besser als erwartet, der Trend ging und geht aber in Richtung Stagnation, zumal die private Investitionstätigkeit seit Monaten schrumpft.

2.Rubel auf Allzeittief.

Russische Finanzmärkte sind nach wie vor im Krisen-Modus. Der Leitzins wurde seit Februar in drei Schritten um insgesamt 2,5 Prozentpunkte erhöht, wodurch die gesamte Renditekurve um 200-330 Basispunkte angehoben wurde. Dennoch schwächte sich der Rubel deutlich ab und erreichte im September sein Allzeittief, sowohl gegenüber dem Dollar als auch relativ zum $/€-Währungskorb. Der Aktienmarkt verlor gegenüber dem Durchschnitt der Schwellenländer (gemessen am MSCI Emerging Markets-Index) seit Jahresbeginn 20%.

3. Robuste Unternehmen.

Der börsennotierte Unternehmenssektor hat sich trotz widriger Umstände bisher als robust erwiesen. Die Unternehmensergebnisse übertrafen in den beiden ersten Quartalen die Erwartungen. Die Gewinnprognosen für das laufende Jahr wurden bisher nur wenig zurückgenommen. Export-orientierte Unternehmen, deren Produkte zu Dollarpreisen gehandelt werden, profitieren in der Regel vom schwachen Rubel, da ihre Kostenbasis überwiegend in heimischer Währung ist. Überraschenderweise konnten auch ausschließlich auf den Inlandsmarkt konzentrierte Unternehmen wie die Lebensmittelhändler ihre Margen halten und robuste Quartalsergebnisse vorweisen.

4. Russische Börse noch billiger.

Der Bewertungsabschlag des russischen Aktienmarktes gegenüber Vergleichsmärkten ist seit Jahresbeginn um zehn Prozentpunkte gestiegen. Aktuell liegt das KGV des Marktes unter 5x. Das entspricht gegenüber dem Durchschnitt der Schwellenländer einem Abschlag von 60% und gegenüber den CEE-Märkten von 70%. Die Chance, dass positive Nachrichten, insbesondere Anzeichen einer Entspannung, eine Entlastungsrally bewirken besteht, aber eine baldige Rückkehr zu relativen Bewertungsniveaus, wie sie vor der Krise bestanden, ist in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich.

5. Sanktionen schwächen die Wirtschaft.

Die Sanktionen der westlichen Konfliktparteien lasten auf der russischen Wirtschaft und den Finanzmärkten. Ob sie als Erfolg zu werten sind, ist dennoch fraglich. Sie sind ein dienliches Instrument, wenn es darum geht, der russischen Wirtschaft Kosten aufzuerlegen und sie damit zu schwächen. Ihre politische Wirkung in der Beeinflussung der russischen Außenpolitik bzw. als Beitrag zur Lösung des Ukraine-Konflikts, nicht gesichert.

6. Sanktionen wahrscheinlich langlebig.

Russia KGV DiskontZuletzt haben Spekulationen über die baldige Rücknahme der Sanktionen die Märkte bewegt. Eine weitgehende oder vollständige Aufhebung so kurz nach ihrer Einführung ist nach unserer Einschätzung aber unwahrscheinlich. Trotz des Waffenstillstands sind die zugrundeliegenden Probleme des Konflikts – der Status der separatistischen Regionen innerhalb des ukrainischen Staates, die russische Eingliederung der Krim, und vor allem die internationale Ausrichtung der Ukraine selbst – nicht gelöst.
Außerdem könnten die Differenzen innerhalb Europas, die die Einführung der Sanktionen verzögerten, gleichermaßen auch deren Aufhebung erschweren. Die Wahrscheinlichkeit,  dass ein erheblicher Teil der Sanktionen längerfristig bestehen bleibt, ist hoch.

7. Anhaltende politische Unsicherheiten.

Die weitere Entwicklung ist naturgemäß von Unsicherheiten geprägt – mit der Konsequenz anhaltend hoher Volatilität auf den russischen Finanzmärkten. Kurzfristig stehen – neben möglichen Änderungen im Sanktionsregime – die Sicherung des Waffenstillstands und die Parlamentswahlen am 26. Oktober im Vordergrund. Letztere sind nicht nur ein organisatorisches sondern auch ein massives politisches Problem, denn ein Wahlergebnis, das nicht von allen involvierten Konfliktparteien anerkannt wird, liefert keinen positiven Lösungsbeitrag. Unklar ist noch, in welchem Forum die zuletzt mehrfach – auch vom US-Präsidenten – eingeforderte diplomatische Lösung des Konflikts angegangen wird.

8. Mehr Staat, mehr Autarkie.

Für Investoren noch wichtiger als die unmittelbaren Krisenfolgen ist die längerfristige Perspektive. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den Konfliktparteien, vor allem zwischen Europa und Russland, in absehbarer Zukunft normalisieren. Europäische Unternehmen und Investoren werden zurückhaltender sein als zuvor.

Gleichzeitig bekommen durch den Konflikt und die Sanktionen die anti-liberalen Kräfte in Russland weiter Auftrieb, die für mehr Staatseinfluss und mehr Autarkie, also Selbstversorgung, eintreten. Die Folge ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit, mittelfristig gedämpftes Wirtschaftswachstum, da ausländische Direktinvestitionen fehlen. Gleichzeitig dürften in Russland die Bemühungen steigen, Wirtschaftsbereiche außerhalb des Rohstoffsektors zu entwickeln und zu stärken.

9. Massiver Wirtschaftseinbruch in der Ukraine.

Wesentlich massiver als für Russland sind die negativen Folgen des Konfliktes für die Ukraine selbst. Die Wirtschaft des Landes wird heuer um fast 10% schrumpfen, die Industrieprodukten kollabiert. Die Währung hat seit Jahresbeginn über 30% gegen-über dem Dollar verloren und der unmittelbare Kapitalbedarf ist enorm. Eine Staatsbankrott kann nicht ausgeschlossen werden. Für ausländische Portfolioinvestoren, die bisher schon wenig Investitionsmöglichkeiten im Lande vorfanden, wird es selbst unter günstigsten Bedingungen Jahre dauern, bis der ukrainische Markt interessant werden könnte.

10. Konflikt belastet auch EU-Wachstum.

Schwieriger zu fassen sind die Krisenfolgen für die EU-Wirtschaft. Sowohl die von den Sanktionen der EU gegenüber Russland als auch die von den Gegensanktionen betroffenen Wirtschaftsaktivitäten fallen insgesamt relativ wenig ins Gewicht. Die Wirtschaftserholung im Euroraum ist allerdings fragil und der Rückgang der Exporte nach Russland in dieser Phase des Zyklus nicht hilfreich. Jedenfalls haben sich seit Jahresbeginn die Wirtschaftsdaten und Stimmungsindikatoren im Euroraum laufend verschlechtert – mehr oder weniger im Gleichschritt mit der Eskalation in der Ukraine.

Für die EU sind die langfristigen Folgen wichtiger, als momentane Einbrüche. Immerhin ist Russland das bevölkerungsreichste Land Europas, das entgegen einer weit verbreiteten Meinung seit kurzem auch ein natürliches Bevölkerungswachstum und eine positive Einwanderungsbilanz aufweist. Eine sanktionsbedingte Schwächung der russischen Wirtschaft zusammen mit einem schwierigeren Marktzugang ist für eine deflationsgefährdete Eurozone kein wünschenswertes Szenario.

Fazit:

In Summe hinterlässt der Ukraine-Konflikt, soviel lässt sich bereits feststellen, eine tiefe Kerbe in der jüngeren europäischen Geschichte. Für Investoren, vor allem Aktieninvestoren, in Russland ändern sich die Voraussetzungen und Aussichten – in anderen Worten: der „investment case“. Es ist künftig mit mehr Staatseinfluss, weniger ausländischen Investitionen, Friktionen in den Wirtschaftsbeziehungen zu Europa und einer graduellen Hinwendung in Richtung Asien zu rechnen. Ressourcenreichtum und das Wachstum des Binnenmarkts werden die treibenden Kräfte bleiben und Portfolioinvestoren attraktive Investitionsmöglichkeiten mit Dividendenrenditen von 5-7% bieten, aber politische Faktoren und Unsicherheiten – sowohl binnen- als auch außenpolitischer Natur – werden das Investitionsklima bis auf weiteres prägen.

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