Die wichtigste Referenzrendite der Finanzgemeinde, die 10jährige Rendite der US-amerikanischen Staatsanleihe, ist in diesem Jahr kräftig gefallen. Genauer: von 3,03% zu Jahresanfang auf aktuell 2,11%. Das ist insofern überraschend, als die Konjunktur der US-Wirtschaft als einzige große Volkswirtschaft auf immer breiteren Beinen steht und sich am Übergang von der Erholungs- in die Expansionsphase befindet.
Im Einklang damit haben in den USA die Risiken für eine zu niedrige Inflation abgenommen. Im Oktober läuft das umfassende Anleiheankaufsprogramm der Zentralbank aus. Die Fed indiziert den Start für Leitzinsanhebungen im nächsten Jahr. In diesem Umfeld weisen die US-Staatsanleihen seit Jahresanfang einen überraschend hohen Ertrag von 6% auf. Betrachtet man nur die langlaufenden Anleihen mit einer Laufzeit von über 10 Jahren, beträgt der Ertrag sogar 21%.
Mehrere treibende Faktoren können identifiziert werden

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Im Unterschied zu den USA ist das Wirtschaftswachstum im Rest der Welt mager geblieben. Die Wachstumserwartungen haben enttäuscht. Im Einklang damit sind auf globaler Basis die Risiken für eine zu niedrige Inflation bzw. Deflation angestiegen.
Das hat in weiterer Folge zu einem Anstieg der Unsicherheit geführt, wie die Wirtschafts- / Geldpolitik im Rest der Welt darauf reagieren wird, wenn die Fed gleichzeitig vom Gaspedal steigt. Die seit der Großen Rezession aufgeworfenen Fragen bleiben ungelöst. Auf welches Niveau sinkt das weltweite Durchschnittswachstum? Welche Wirtschaftspolitik ist die richtige (Gesundsparen, Staatsausgaben erhöhen, Geld drucken, Finanzrepression, Strukturreformen, Währungsabwertung)?
Die Bewertungen vieler Wertpapierklassen sind nicht mehr günstig, aber immerhin fair. Allerdings nur dann, wenn das Erholungsszenario hält. Weil die Unsicherheiten angestiegen sind, haben auch die Risikoprämien zugenommen. Für das Risikoszenario Stagnation bedeutet dies fallende Renditen von kreditsichereren Staatsanleihen und eine steigende geforderte Prämien für das Aktienrisiko (= fallende Kurse).
Was spricht gegen einen Bärenmarkt auf den Aktienmärkten und weiter fallende Renditen?
- Auf globaler Basis stehen die Indikatoren nicht im Einklang mit einer Rezession sondern mit einer Erholung (auch wenn sie noch schwächer als erwartet ausfällt).
- Die Bewertungen vieler Wertpapierklassen deuten nicht auf eine Überbewertung (im Erholungsszenario).
- Die Geldpolitiken bleiben auf die Unterstützung der wirtschaftlichen Aktivität ausgerichtet, werden also nicht auf die Bekämpfung von vermeintlichen Inflationsrisiken umschwenken. Sie bleiben also weltweit expansiv, auch wenn die Fed im nächsten Jahr die Leitzinsen anheben sollte.
Eine Implikation des niedrigen, globalen Wirtschaftswachstums bei gleichzeitig fairen Bewertungsniveaus von risikobehafteten Wertpapierklassen und erhöhten Unsicherheiten ist jedoch, dass sich der seit 2009 bestehende Trend kräftig ansteigender Wertpapierkurse abflacht, während die Wertpapierschwankungen zunehmen.