Die konjunkturelle Dynamik lässt auf globaler Basis nach. Darauf deuten sowohl die fallenden Frühindikatoren der OECD für wichtige Industriestaaten als auch die fallenden Einkaufsmanagerindizes hin. Dennoch stehen sie im Einklang mit einer leichten Beschleunigung des Wachstums der Weltwirtschaft von Quartal zu Quartal. Das Ausmaß der Erholung wird immer geringer. Die Hoffnung, dass endlich Potenzialwachstum erreicht werden könnte, schwindet zusehends. Die seit Jahren nach unten korrigierten Wachstumsschätzungen setzen sich fort. Das passt nicht nur zum langsamen Erholungsszenario nach der Großen Rezession sondern auch zu den starken Hinweisen eines gefallenen Potenzialwachstums.
USA an der Schwelle von der Erholung zur Expansion
Gleichzeitig variiert die konjunkturelle Dynamik in den Weltregionen immer stärker. Für die USA verdichten sich die Anzeichen, dass ein Übergang von der Erholungsphase in die Expansionsphase stattfindet. Neben einer moderaten Erholung am Arbeitsmarkt kann eine Verbesserung bei den Unternehmensinvestitionen festgestellt werden. Im Einklang damit ist die Wahrscheinlichkeit für eine zu niedrige Inflation gefallen.
Gefahr der Stagnation in der Eurozone
Im Unterschied dazu ist das Risiko in der Eurozone gestiegen, dass die Erholungsphase endet und in eine Stagnation übergeht. Nach wie vor fällt das ausstehende Kreditvolumen. Die Arbeitslosenrate verharrt auf einem hohen und die Inflation auf einem sehr niedrigen Niveau. Beabsichtigte Budget-Einsparungen werden immerhin in die Länge gezogen. Umfangreiche stimulierende Maßnahmen sind aber nicht darstellbar. Die Strukturreformen haben (in Italien und Frankreich) mit Widerständen zu kämpfen. Die EZB stellt sehr günstig langfristige Liquidität für Banken zur Verfügung. Es werden nun auch massive Ankäufe von Wertpapieren im Finanzsektor unternommen, da die Leitzinsen bereits bei null Prozent angelangt sind.
Schwellenländer mit unterschiedlicher Dynamik
Auch in den Schwellenländern wird die Dynamik immer heterogener. In China gibt es Hinweise für eine weitere Abschwächung des Wachstums. Bemerkenswert ist unter anderem das fallende Wachstum der Investitionen und der Industrieproduktion. Wichtige Länder wie Russland und Brasilien sind mit einer Stagflation konfrontiert. Im Unterschied dazu bleiben die Aussichten für Mexiko und Indien positiv.
In diesem Umfeld sind risikobehaftete Wertpapiere weltweit unter Druck geraten. Kurz: je illiquider und riskanter, desto größer der Abgabedruck. Zudem hat sich der US-Dollar deutlich gefestigt. Die Volatilitäten sind gestiegen, die Rohstoffpreise gefallen. Gleichzeitig waren Anleihen mit einer hohen Kreditwürdigkeit gefragt. Selbst die Renditen von US-amerikanischen Staatsanleihen sind gefallen, obwohl die Erwartungen einer Leitzinserhöhung zugenommen haben.
Mangelnde Koordination der Wirtschaftspolitik
Ein grundlegendes Problem der internationalen Wirtschaftspolitik ist die mangelnde Koordination. Die Politik der US-amerikanischen Zentralbank ist nicht nur für die USA sondern für die Weltwirtschaft relevant. Ein Auslaufen des Anleihe-Ankaufsprogramms im Oktober und der Beginn von Leitzinserhöhungen im nächsten Jahr stehen im Einklang mit dem Übergang in die Expansionsphase in den USA. Allerdings haben sich auf globaler Basis zahlreiche Konjunkturindikatoren verschlechtert. Die Marktteilnehmer scheinen zu fürchten, dass die Verringerung des Wachstums der Liquidität und die bevorstehenden Leitzinserhöhungen in den USA negative Auswirkungen für den Rest der Welt haben werden. D.h. die Marktteilnehmer werden zunehmend risikoavers. Damit steigt der Druck auf die Europäische Zentralbank, das Baton der starken Liquiditätszufuhr zu übernehmen. Tatsächlich hat dies EZB-Präsident Draghi unlängst angekündigt.
US-Dollar wertet auf
Die unterschiedliche geldpolitische Ausrichtung zwischen der US-amerikanischen und anderen Zentralbanken hat unter anderem eine Festigung des US-Dollar unterstützt. Zumindest für die Eurozone ist die Euro-Abschwächung eine positive Entwicklung, die jeden expansiven Impuls gut gebrauchen kann.
Zusammengefasst bleibt das Erholungsszenario intakt, die Risiken haben allerdings weiter zugenommen. Neben dem Risiko einer harten Landung in China, einer Deflation in der Eurozone und einer Zunahme der geopolitischen und sozialen Spannungen ist als neuer Faktor eine möglicherweise zu restriktive Geldpolitik der US-amerikanischen Zentralbank hinzugekommen.