Wir nähern uns dem Ende des Sommers, aber in der Türkei scheint es fast so, als ob wir wieder im April 2015 wären. Der Ausgang der Wahlen sowie die Zeit danach verliefen nicht so, wie es sich die Politiker erhofft hatten, und die Bemühungen der Regierung zur Verbesserung der Lage schlugen bisher fehl.
Die Juni-Wahlen und deren Folgen
Zur Erinnerung: Am 7. Juni 2015 entfielen bei den türkischen Parlamentswahlen 40,9% auf die Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP), gefolgt von 25,0% für die Republikanische Volkspartei (CHP; 16,3% für die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) und 13,1% für die Demokratische Volkspartei. Dieses Ergebnis bewirkte, dass die AKP ihre Einparteienregierung aufgeben musste und nunmehr vier Parteien im Parlament vertreten sein werden. Für die Türkei bestanden auf Basis dieses Wahlergebnisses zwei Optionen: eine Koalition oder vorgezogene Neuwahlen. Nach mehreren Koalitionsgesprächen im Sommer ist es den türkischen Politikern nach wie vor nicht gelungen, eine Koalition auf die Beine zu stellen, womit die zweite Option noch nicht vom Tisch ist. Dies passiert zum ersten Mal in der türkischen Politik, und tatsächlich sieht es so aus, als ob wir wieder zurück im April diesen Jahres wären. Erst kürzlich wurde verlautbart, dass die Türkei am 1. November 2015 Neuwahlen austragen würde. Dies bedeutet, dass wir uns auf ein paar unsichere Monate gefasst machen können – und verlässliche Meinungsumfragen wieder Hochkonjunktur bekommen. Laut den derzeitigen Umfragen hat sich die Unterstützung für die AKP nur um 1 bis 2,5% erhöht, was für eine Einparteienregierung nicht ausreicht.
Terroranschläge in der Türkei
In der Zwischenzeit (und abseits der Politik) kam es zwischen der türkischen Armee und der PKK zu Zusammenstößen, wobei im vergangenen Monat mehr als 50 Armee- und Polizeiangehörige Terroranschlägen zum Opfer fielen. Ende Juli fand eine von der Türkei einberufene NATO-Krisensitzung statt, in der die NATO die Terroranschläge verurteilte und ihre Solidarität mit der Türkei zum Ausdruck brachte. Während die Terrororganisation Islamischer Staat den Süden des Landes ins Chaos stürzt, ist die Türkei nicht in der Lage, eine Regierung zu bilden. Da die Terroranschläge die Unterstützung der Bevölkerung für die Parteien beeinflussen, werden sowohl die Attentate als auch die türkische Antwort darauf in Zukunft eine wichtige politische Rolle spielen. Mittlerweile haben die Türkei und die USA eine Übereinkunft unterzeichnet, wonach die Türkei Militärziele des Islamischen Staates im Irak und in Syrien angreifen darf. Für die nahe Zukunft werden allerdings keine Luftangriffe erwartet.
Welche Auswirkungen sind von alledem auf die Wirtschaft zu erwarten?
Die tatsächlichen Auswirkungen der vorgezogenen Neuwahlen werden erst im letzten Quartal 2015 spürbar werden. Bei ihrer jüngsten Sitzung beließ die türkische Zentralbank die Zinssätze unverändert. Allerdings deutete sie eine mögliche Straffung der Fiskalpolitik – d.h., eine Zinserhöhung – an. Die Zentralbank unterstrich, dass sie auf die Entscheidung der Fed warten würde und dass sie nunmehr zum ersten Mal lokale Risiken als möglich einstufte. Des Weiteren stellte sie einen Plan zur Vereinfachung der Geldpolitik vor und entschied, die Liquidität der türkischen Lira weiter zu drosseln.
Die türkische Zentralbank erwartet eine leichte Verbesserung der Inflation. Steigende Fleischpreise begrenzen die Abschwächung der Nahrungsmittelinflation – trotz der Korrektur bei Obst und Gemüse. Die Bank wies auch darauf hin, dass sie eine Verbesserung der Inflations- und Kerninflationsdaten beobachtet, wenngleich auf beschränktem Niveau. Derzeit bleibt die Schätzung für Ende 2015 bei 6,8%, während mit einem BIP-Wachstum von 3% gerechnet wird. In Abhängigkeit von politischen Unruhen könnte es dabei zu Abwärtsrevisionen kommen.
Schlussfolgerung
Trotz der starken Ergebnisse des ersten Halbjahres 2015 sehen wir abnehmende Rohmaterialpreise und attraktive Bewertungen. Die von Unsicherheit geprägte Zeit vor den Wahlen wird sich während der kommenden Monate vermutlich negativ auf die Veranlagungen und den Vermögensfluss auswirken. Eventuell werden Ratingherabstufungen zu beobachten sein. Die Politik beginnt, auf Lokalmärkte zu drücken, die Wirtschaft verliert an Schwung, und die Fed bereitet sich auf Zinserhöhungen im späteren Verlauf von 2015 vor. Herausfordernde Monate liegen vor uns.