Die Aktienbörsen der Schwellenländer (Emerging Markets Aktien) werden derzeit auf Basis der erwarteten Gewinne um 27% niedriger bewertet als die Aktienbörsen der entwickelten Märkte (Developed Markets). Der Diskont fällt damit höher aus als im langfristigen Schnitt. Ein Comeback der Schwellenländer-Aktien hängt davon ab, ob das Vertrauen in die Gewinnerwartungen fest genug ist, um eine Neubewertung zu bewirken.
In den ersten vier Monaten des Jahres gaben die Aktienmärkte der Schwellenländer (kurz ‚EM‘ für Emerging Markets) mit einem Anstieg von 14% (Jahrestief zu Jahreshoch) ein lang erhofftes Lebenszeichen von sich. Ab Mitte Februar bis Ende April konnten sie sogar die entwickelten Aktienmärkte outperformen. Im Mai hat sich die Lage aber gedreht und die Schwellenmärkte fallen wieder absolut sowie relativ zurück.
Seit Jahresbeginn ist der Schwellenländerindex MSCI EM Index zwar immer noch mit 5% im Plus (in US-Dollar), aber im Wesentlichen war das auf die Performance von drei Märkten – China, Taiwan und Russland – zurückzuführen, die zusammen fast 40% des EM-Universums ausmachen. (Auch Ungarn war mit +24% deutlich positiv, ist aber mit einem Gewicht von 0.2% von marginaler Bedeutung). Die Mehrzahl der Märkte – fast 2/3 – ist seit Jahresbeginn in US$ in der Verlustzone.
Bezüglich der weiteren Entwicklung sind mehrere Faktoren ausschlaggebend:
- Die absehbare US-Leitzinserhöhung wird zumindest kurzfristig die Aktienmärkte belasten (auch wenn die längerfristigen Auswirkungen keineswegs negativ sein müssen). Davon werden die Aktienmärkte der Schwellenländer vermutlich stärker betroffen sein.
- Sollte die Zinserhöhung heuer gar nicht kommen, wird das den EM-Aktien auch nicht helfen, denn das hieße letztlich, dass die Fed von einer längerfristigen Stagnation der US-Wirtschaft ausginge.
- Wurde der Gesamtindex der Schwellenmärkte vor allem von China und Russland nach oben gezogen, aber in beiden Märkten dürfte das Aufwärtspotential nach der jüngsten Rally gedämpft sein.
- Die Wachstumsvorsprung der Schwellenmärkte auf die entwickelte Welt – einer der wichtigsten Investitionsargumente – fällt 2015 auf knapp über zwei Prozentpunkte, was längerfristig betrachtet gering ist. IMF-Prognosen sehen zwar 2016 eine leichte Ausweitung voraus, aber die Treffsicherheit der Prognostiker war zuletzt mäßig.
Fazit:
Aus Bewertungssicht ist das Bild uneinheitlich. Das KGV auf Basis der erwarteten Gewinne liegt derzeit 27% unter jenem der entwickelten Märkte, während dieser Abschlag langfristig nur 19% beträgt. Auf Basis der historischen Gewinne hingegen entspricht der Diskont mit 23% in etwa dem langjährigen Schnitt. Die Frage ist daher, ob das Vertrauen des Marktes in die Gewinnerwartungen in den Schwellenmärkten fest genug ist, eine Neubewertung zu bewirken.
In Summe wäre aufgrund der angeführten Faktoren eine neuerliche EM-Aktienrally in naher Zukunft überraschend.